Krippenspiel - Ein OS

Part 1

 

 

by Lilly

 

 

„Leute, Leute“, stöhnte DeLuce. „Macht mal langsam hier. Ich glaube, ich muss euch hier mal eine Illusion rauben. ICH hab da auch keine Lust drauf!“

„Und wieso machen wir es dann?“, nörgelte Evelyn. „Wenn keiner Lust hat, dann lassen wir es doch ausfallen, so einfach ist das.“

„Tja, die Eltern wollen es“, sagte DeLuce und rieb sich die Schläfen. „Und die finanzieren nun mal einen Teil unserer Aktivitäten. Außerdem kommt der Befehl von ganz oben.“

„Vom Hexenzirkel?“, fragte Alex und machte große Augen.

„Ne, von Wyn“, sagte DeLuce. „Sie sagt, Mama will es so.“

Die Klasse schauderte. Wenn Wyn sich selbst Mama nannte, dann war die Kacke am Dampfen und man tat besser, was Mama wollte.

„Wir sind geliefert“, stöhnte Ben.

„Es ist nur ein olles Krippenspiel“, sagte Riley. „Echt, stellt euch mal nicht so an. Wir leiern ein paar Sätze runter und das wars. Gerade von euch beiden, den Schauspielern, hätte ich da mehr Engagement erwartet.“

Ben und Evelyn zogen ein Gesicht.

„Scheiß Erstklässler“, murmelte Ben. „Wieso hat uns die Grippewelle nicht erwischen können? Das ist so ungerecht.“

 

Normalerweise war das alljährliche Krippenspiel Sache der Jüngeren. Es war ein Umstand, den Wyn tolerierte.

„Gut, dass wir nur Christen an unserer Schule haben“, bemerkte sie spitz. „Und deswegen nur die christliche Heilsgeschichte zelebrieren.“

„Die Eltern stehen drauf“, sagte DelDesincourt. „Und mal ehrlich, wenn wir die dämonische Heilsgeschichte und den Hexen-Sabbat genauso feiern würden, wären die doch alle verstört.“

Auch die Schüler, die Vertreter anderer Religionen waren, sahen es gelassen. Derra, erklärter Muslim, fand es sogar lustig.

„Ich meine, das ist doch voll niedlich, wie die kleinen Stöpsel da über ihre Gewandsäume stolpern und mit den riesigen Flügeln hantieren.“ Er grinste. „Letztes Jahr hat die Maria die ganze Zeit die Babypuppe über Kopf gehalten, es war zum Schreien.“

„Ich seh schwarz für deine zukünftigen Kinder“, brummte Tate. „Mann, bin ich froh, dass unseren Jahrgang dieser Eiertanz nicht erwischt hat.“

 

Tatsächlich war ein Großteil der Erstklässler von einer schweren Grippewelle ausradiert worden. Auf Blairs Fragen hin, wieso der Kelch dann nicht einfach direkt an die Zweiten, die nächsten potentiellen Kandidaten ginge, kam ein allgemeines Stöhnen der Lehrer als Antwort.

„Das sind die Zweiten, Dewatcher“, erklärte DelDesincourt grimmig. „Du denkst, dein Jahrgang ist das Grauen? Die Zweiten sind in der Pubertät.“

„Die sind jetzt in der Phase, wo man in den Klassenzimmern nicht mehr atmen kann, dank billigem Parfum, Hormonen und schlechtem Deo“, pflichtete Hayato bei.

 

Manche der Dritten nahmen es gelassener, einige Wenige sogar engagiert. Also, Charity nahm es mit Engagement.

„Wir könnten das doch umschreiben“, schlug sie mit roten Wangen vor „Ein wenig moderner machen. Ausführlicher. So eine Art persönliche Note.“

„Halt die Klappe“, zischte Cadie und hielt ihr den Mund zu. „Halt bloß die Klappe.“

„Hey, Sullivan“, plärrte Ishan aus der dritten Reihe. „Du könntest nen Engel machen. Voll mit Kutte und Flügeln. Verstehst du? Nen ENGEL!“

„Ich wollte nen Engel machen“, protestierte PJ leicht enttäuscht darüber, so wenig Unterstützung von Ishan zu bekommen. „Mann, ich hab doch gesagt, ich will Gabriel sein.“

Riley starrte ihn entgeistert an. „Ich kenn dich nicht, Mann“, sagte sie. „Ich kenn dich nicht.“

 

„Wir losen“, entschied DeLuce, als es drohte mit Toten zu enden. „Hier ist eine lustige Zettelbox. Jeder schreibt seinen Namen drauf und dann wird gezogen.“

Im Endeffekt musste die Ziehung wiederholt werden. Die Klügeren der Schüler schrieben einfach fremde Namen auf die Zettel und nachdem vier Mal Ryan gezogen worden war für die Rollen des Josefs, der Maria, eines Hirten und Chor-Engel vier, beschloss DeLuce, die Zettel selbst zu beschriften.

„Das System laggt“, sagte PJ. „Was, wenn ein Junge die Maria-Rolle zieht?“

„Dann spielt er die verdammte Maria“, schnauzte DeLuce. „Geschlecht ist eh bloß ein Label!“

Niemand wagte es mehr, ihm zu widersprechen. Einige der Schüler hatten jetzt wirklich stumm zu beten begonnen.

 

Keiner der Proteste, die dann am Ende doch noch aufkamen, wurden vom gnadenlosen DeLuce erhört. Sein Wort hatte Gesetzesstatus erhalten und er hatte begonnen, seine Schüler beim Nachnamen anzusprechen.

„Aber Ishan ist schwarz!“

„Wachen Sie auf, Miss Grau, Nazareth liegt in Israel, der ethnischen Herkunft nach war der Heiland nicht hellhäutig, das ist bloß die katholische Anpassung ans west-europäische Idealbild!“

„Ich kann keinen Engel spielen! Ich bin ein Kerl!“

„Mr Wood, wenn Ihre Männlichkeit unter einem kleinen Rollenspiel derart leidet, ist nicht die Rolle das Problem! Abgesehen davon ist Gabriel ein Männername!“

„Ich bin krank, ich krieg auch die Grippe!“

„Dann nehmen sie ein verdammtes Hustenbonbon, Miss Warren, wenn Sie denken, Sie kommen hier aus, dann haben Sie sich geschnitten!“

Böse blickte er in die Runde. „Macht mir keine Schande, Kinder! Nicht mehr als ohnehin schon!“

„Ich hasse diese Schule“, murmelte Evelyn.

„Sei dankbar“, brummte Rory. „Du hast wenigstens ne vertretbare Rolle abbekommen.“

Ben neben ihr umarmte den Tisch. „Yes“, jubelte er. „Danke! Oh, danke! Ich bin raus, heilige Maria, danke, ich werd auch immer brav mein Zimmer aufräumen.“

„Meistens“, half Riley ihm gutmütig aus.

„Meistens“, verbesserte Ben.

 

Keiner der Schüler ging mit sehr viel Ernsthaftigkeit an die Rollenvorbereitung heran. Es gab zwei Proben, bei denen geschätzt die Hälfte der Beteiligten anwesend war, Charity schickte eine Rundmail mit den Texten und den Positionen herum und schneller als gedacht war der Tag der Weihnachtsaufführung da.

„Das ist doch kein Kostüm“, sagte Riley und hob ein Stück Stoff hoch. „Das ist ein Bettlaken mit einem beschissenen Loch.“

„Tja“, fauchte Charity sarkastisch, die völlig unter Strom stand. „Wenn du zu einer der Proben erschienen oder mal auf meine Mails geantwortet hättest, dann hättest du jetzt auch kein dummes Kostüm!“

„Wohoo“, machte Riley und hob eine Augenbraue. „Komm mal wieder runter.“

„DeLuce hat ihr die Verantwortung aufgeladen“, sagt Ben, der am Türrahmen lehnte und bad-ass-mäßig an einer Zuckerstange herumkaute. „Mann, ich neide euch das nicht. Vergiss deinen Text nicht.“

„Text?“ Riley starrte Evelyn an. „Es gab nen Text?“

Die zuckte die Achseln. „Ich dachte, das war bloß ne grobe Orientierung!“

 

Unten im Zuschauerraum hatte Tate Derra einen Platz frei gehalten und erwartete ihn mit einer Tüte Popcorn.

„Großes Kino“, prophezeite er. „Das wird ganz großes Kino heute.“

„Saw 4", schlug Derra vor. „Kampf der Titanen."

„Titanen", schnaubte Tate mit vollem Mund. „Nun übertreib mal nicht, Junge."

 

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