Krippenspiel - Ein OS

 

Part 2

 

by Lilly

 

 

Der dritte Jahrgang des Internats von Aldcrest freut sich Eltern, Schüler und Freunde zur traditionellen Inszenierung der Weihnachtsgeschichte begrüßen zu dürfen. Die Schulleitung wünscht einen besinnlichen Abend und eine schöne Weihnachtsfeier im Anschluss mit Glühwein und Kinderpunsch.

 

 

 

„Es war einmal vor langer, langer Zeit in Nazareth ein einfacher Zimmermann namens Josef und seine Frau Maria, die ein glückliches und zufriedenes Leben führten.“

 

 

Charitys helle Stimme schallte von der Seite der Bühne dank eines Zaubers bis in die hintersten Reihen und Eltern wie Schüler lauschten, während im Hintergrund auf der Holzbühne im Licht der Scheinwerfer zwei Gestalten von jeweils rechts und links aufeinander zugingen, die Arme ausgestreckt. Ishan auf der linken Seite trug etwas, was wohl ehemals ein Kartoffel-oder Jutesack gewesen war und in das man jetzt mit einer stumpfen Schere drei Löcher für die Arme und den Kopf geschnitten hatte. Dieses improvisierte Gewand ging ihm nicht mal bis an die Knie. Darunter trug er eine rissige Jeans und auf dem Kopf einen unglaublich bescheuerten Schlapphut. Um die Hüften hatte er sich gefühlt zwei Meter lange Kordel gewickelt, als habe ihn jemand fesseln wollen, allerdings vergessen seine Arme anzubinden. Irgendwo aus Tates Ecke ertönte ein Pfiff, was einige Eltern dazu veranlasste, sich mit bösem Blick zu dem Störenfried umzuwenden, doch in der Dunkelheit war es schwer, diesen auszumachen.

 

Besetzung der Rollen:

 

Ishan Sakar - Josef von Nazareth

 

Ishan gegenüber fand sich seine Maria. Diese trug ein gut sichtbares Piercing im Nasenflügel und darüber ein formloses Kleid, das Ishans Sack-Kostüm in nichts nachstand. Um den Kopf hatte sich Rory, die die Rolle gezogen hatte, ein blaues Tuch gewickelt, das allerdings wenig wie ein keuscher-demütiger Schleier aussah, eher wie ein Hippieband, denn es stammte aus einer Glöckner-von-Notre-Dame Aufführung der Theatergruppe und hatte der Zigeunerin Esmeralda gehört. Es war demnach wild bestickt mit Bändern, Münzen, Perlen und Goldfäden und dass Rory es auf links trug, machte es nicht sehr viel besser. Hinzu kam, dass ihr braunes Haar an allen Enden darunter hervorquoll.

 

Rory Warren - Maria

 

 

Ishan und Rory griffen sich an den Händen und starrten einander dramatisch in die Augen, ehe sich Ishan ein Stück weit herunterbeugte, um den Kopf an ihre Stirn zu legen.

„Oh, Maria“, verkündete er laut, damit auch ja dem letzten seiner Klassenkameraden im Zuschauerraum klar war, dass er nicht in den Text geschaut hatte, sondern einfach improvisierte.

„Oh, Josef“, machte Rory, die ganz offenbar Mühe hatte, nicht hysterisch zu lachen. Oder zu heulen. Es war nicht ganz sicher. Im Zuschauerraum erklang unterdrücktes Gekicher und irgendwo ziemlich weit vorne verpasste DeLuce seinem Kollegen DelDesincourt einen Stoß mit dem Ellbogen, als der schlecht getarnt hustete.

 

Als Charity weitersprach, hatte ihre Stimme kaum merklich einen missbilligenden Ton bekommen.

„Maria und Josef lebten in Glück und Demut, als Maria eines nachts ein Engel erschien.“

Rory und Ishan blickten sich überfordert an, doch Ishan improvisierte blitzschnell.

„Weib“, sagte er und genoss ganz offensichtlich die Show. „Lege dich hernieder zum Schlafe, ich werde nach den Hühnern im Stalle sehen.“

Als wäre es geplant gewesen, begann irgendein Scherzkeks, der verdächtig nach Ace klang, ein lautes Booooock-bock-bock hinter dem Vorhang. Im Zuschauerraum schlug sich Ben mit der flachen Hand gegen die Stirn. Seine Mutter neben ihm öffnete mit einen Klack eine Dose Cola.

„Engagement“, lobte sie. „Gute Story. Kannte ich so noch nicht. Verratet mir nicht das Ende."

 

Rory hatte sich einmal quer auf den Boden gelegt. Nichts geschah, außer dass das Licht herunterdimmte.

„Und der Engel erschien!“, wiederholte Charity.

Hinter dem Vorhang gab es ein kurzes Gekabbel. Dann stolperte Riley in einem riesigen weißen Bettlaken auf die Bühne, trat auf den Saum und schaffte es gerade noch, nicht vor allen Leuten auf der Nase zu landen. In einem Versuch würdevoll zu wirken, rückte sie sich ihren Haarreif zurecht, an dem mit Draht ein Heiligenschein aus Alu-Folie befestigt war.

Rory hatte sich mittlerweile aufgesetzt und es schien sie sämtliche Willenskraft zu kosten, nicht in Lachtränen auszubrechen.

Riley räusperte sich.

„Yo“, sagte sie und in den letzten Reihen ertönte lautes Männergelächter. „Ich bin Gabriel.“

„Hallo, Gabriel“, fiepste Rory.

„Ich bin hier, um dir eine frohe Botschaft zu bringen“, sagte Riley und riss mit einem Ruck die Arme auf, als wolle sie eine Fliege verscheuchen oder einen unsichtbaren Riesen umarmen und demonstrierte damit die gesamte Spanne ihres schaupielerischen Könnens.

„Und… was ist die frohe Botschaft?“, erkundigte sich Rory, als der dramatischen Geste nichts mehr folgte. Hilflos blickte Riley zu Charity.

 

Riley Blooms - Erzengel Gabriel

 

„Und Gabriel teilte Maria mit, dass sie schwanger war!“, knurrte Charity.

„Ach, das wars“, sagte Riley. „Sorry… der Weg vom Himmel war… äh… weit und zugeschneit. Ja, Mann… du bist schwanger. Herzlichen Glückwunsch.“

„Willst du mir nicht noch was zu meinem Kind sagen?“, half Rory ihr aus. „Vielleicht, dass es ein besonderes Kind wird?“

„Es… wird ein Junge?“ Riley war völlig überfordert mit ihrem Gewand, ihrer Rolle, der Bühne und dem Rampenlicht.

„Und der Engel teilte Rory mit, dass sie den Messias gebären werde“, fauchte Charity.

„Maria“, verbesserte Rory kichernd. „Der Engel teilte es Maria mit.“

„Das ist ein Trauerspiel“, erklang Lady Wentworths Stimme am Rand. „Sie schulden mir zwanzig Mäuse, Ludwig.“

 

Riley war mittlerweile verhältnismäßig unfallfrei wieder von der Bühne gegangen, indem sie ihr Laken kurzerhand gerafft hatte.

Rory kam unelegant auf die Beine, rückte ihr Kleid zurecht und sah sich nach Ishan um, der an der Seite gestanden hatte. Verspätet wurde der Lichtdimmer wieder aufgedreht.

„Oh, Maria“, sagte er. „Wie hast du geschlafen?“

„Ähm… fantastisch“, sagte Rory. „Ich hatte einen seltsamen Traum, in dem mir ein Engel erschienen ist., der mir gesagt hat, dass ich schwanger mit dem Messias bin.“

„Sapperlot!“, sagte Ishan und riss sich den Hut herunter. „Ei der Daus! Ein Engel ist dir erschienen und hat dir das gesagt?“ Rory nickte und Ishan streckte seine Hand aus und legte sie ihr auf die Schulter.

„Stell dir vor, es war gar kein Traum“, sagte Ishan. „Und meine jungfräuliche, unbefleckte Ehegattin, mit der ich aus GRÜNDEN den Beischlaf niemals vollzogen habe, wurde im Schlafe geschwängert.“

„Äh“, machte Rory.

„Das ist natürlich vollkommen cool mit mir“, erklärte Ishan und klopfte ihr auf die Schulter. „Ich hege keinen Verdacht und glaube deinem Wort. Ich habe das ehrbarste Weib geheiratet. Und nicht angefasst. Aus GRÜNDEN.“

 

Offenbar hatte Ishan einen ganzen Monolog geplant. Doch Charity, die normalerweise im Unterricht kaum zu hören war, übertönte ihn jetzt einfach, indem sie stur dem Text folgte.

 

„ES BEGAB SICH“, erzählte sie weiter. „DASS DER KAISER AUGUSTUS EINE VOLKSZÄHLUNG DURCHFÜHREN WOLLTE!!!“

 

Ein Tusch erklang. Dann trat Heath auf die Bühne in einer roten Toga und unter dieser offensichtlich nur die nackte Haut. Auf dem Kopf hatte er einen Kranz aus Kunstefeu.

 

Heath Holmquist - Kaiser Ausgustus

 

„Ich bin Kaiser Augustus“, verkündete er mit sehr kreativer Wortbetonung und verschränkte die Arme „Und ich habe eine Bekanntmachung zu machen.“ Er legte eine dramatische Pause ein, in der man lediglich das Knistern von Gummibärchentüten aus dem Zuschauerraum hörte und eine stolze Frauenstimme im Flüsterton. „Das ist mein Sohn!“

„Alle Bürger haben wegen einer Volkszählung an ihren Geburtsort zurückzukehren“, sagte Heath, in der wirren Betonung, die klang, als habe er einen an der Waffel. „Ehefrauen kehren an den Geburtsort ihres Ehemannes zurück, denn sie sind sein Besitz.“

 

„Oh, großer König Augustus“, rief Ishan und warf sich auf die Knie.

„Kaiser“, berichtigte Heath ihn hoheitsvoll.

„Meine Frau ist schwanger“, sagte Ishan und deutete anklagend auf Rory. „Sie wurde vom heiligen Geist mit dem Messias geschwängert. Ich weiß, wie das klingt, aber das ist keine Ausrede. Habe Gnade, oh Kaiser.“

„Mein Wort ist Gesetz“, sagte Heath und schwenkte das Zepter. „Nimm deine Frau und kehre in deine Heimat zurück.“

 

Das Licht wurde wieder gedimmt und unter Ishans lautem Gejammer verließ Heath die Bühne.

 

„Josef und Maria mussten also zu Fuß den langen Weg von Nazareth nach Bethlehem auf sich nehmen“, fuhr Charity fort. „Denn dies war die Heimat von Josef.“

Rory hatte sich mittlerweile einen Soldatenhelm aus Plastik unter das Kleid gefummelt, den sie mit beiden Händen festhielt, während Ishan sich bei ihr unterhakte und mit ihr eine Runde um die Bühne drehte.

„Na, wenigstens tut uns die frische Luft gut“, bemühte er sich um Optimismus. „Wir kommen mal ein bisschen raus… sehen war Anderes.“

„Ich bin hochschwanger“, erinnerte Rory ihn.

„Und wir bekommen ein Baby“, fuhr Ishan fröhlich fort, der sie absichtlich missverstand. „Dessen Vater ich nicht bin, denn es kommt vom heiligen Geist.“

 

„Der Weg war lang und weit.“ Charity hielt ihn davon ab, weiter auf der jungfräulichen Empfängnis herumzureiten. „Und als sie endlich in Bethlehem ankamen, da war es tiefste Nacht und die Herbergen überfüllt. Niemand wollte sie einlassen.“

Erin trat auf die Bühne. Und sie war mehr als demotiviert, denn ihr ausdrucksloses Poker-Face sprach Bände.

Ishan pochte dreimal gegen eine Pappmaché-Wand und Erin machte einen Schritt nach vorne ins Licht. Dass sie noch kleiner war als Rory und dass sie einen Schweizer Trachtenhut mit Feder und eine Schürze trug, machte die Situation nur noch skurriler.

 

Erin-Sofia Wood - Wirt 1

 

„Wir haben keinen Platz“, sagte sie und es war nicht ganz sicher, ob ihre Aggression und ihre Genervtheit zur Rolle gehörten, oder ob es einfach pure Erin war. „Geht weiter.“

„Aber meine Frau ist schwanger!“, sagte Ishan und deutete auf Rorys Baby-Bauch, der ständig verrutschte. „Und sie kann nichts dafür! Und ich auch nicht!“

„Geht weg“, knurrte Erin. „Wir haben keinen Platz. Zieht weiter.“ Sie wedelte unwirsch mit der Hand und ehe Ishan noch einmal verbal ausholen konnte, trat sie einfach von der Bühne.

 

„Was für eine dumme Kuh“, sagte Ishan laut zu Rory, was Gelächter im Publikum hervorrief. „Probieren wir es bei der Nächsten und hoffen auf mehr Nächstenliebe.“

„Nächstenliebe?“, spottete Rory.

„Jaha“, machte Ishan. „Ist ne wichtige Tugend. Und irgendwas sagt mir, sie kommt demnächst in Mode.“

 

Ace Hazard - Wirt 2

 

Wieder klopfte Ishan gegen die Pappmachéwand, nachdem er und Rory wieder alibiweise einmal über die Bühne geschlurft waren.

„Doch wieder wurden sie abgewiesen“, fuhr Charity fort, als Ace auf die Bühne trat.

„Nanana“, spottete der mit einer Präsenz, als habe er sein Leben lang auf der Bühne gestanden. „Was treibt euch zwei Vögelchen denn bei dem Wetter nach draußen?“

„Meine Frau ist ganz furchtbar schwanger“, erklärte Ishan mit hysterischem Unterton. „Vom heiligen Geist.“

„Das hat meine Ex auch gesagt“, konterte Ace und Charitys Zischen ignorierte er. „Ich verdächtige allerdings meinen Stallburschen. Ein ganz ungezogener Kerl. Ich werde ihn wohl auspeitschen lassen, nur zur Sicherheit.“

„Könnten wir dann sein Zimmer haben?“, erkundigte sich Ishan. „Das von eurem Stallburschen.“

„Naaah“, machte Ace. „Sie würd ich rein lassen, aber das mit dem Schwanger ist ein echter Abturner, Mann.“

„Ich bin in den Wehen“, erinnerte Rory, wenig überzeugend. „Ich würde wirklich gerne ein Dach bei dieser Geburt über dem Kopf haben.“

„Huah, bitte geht weiter“, machte Ace und wedelte genau wie Erin vor ihm mit den Händen. „Ich hab die Stufen hier geputzt.“

„Mein Sohn ist der Heiland!“, protestierte Ishan.

„Ist doch gar nicht dein Sohn“, erinnerte Rory.

„Der Sohn meiner FRAU ist der Heiland!“, verbesserte sich Ishan. „Danke, Schatz.“

„Keine Ursache.“

„Wie schlimm sind denn die Wehen auf einer Skala von eins bis zehn?“

„Hm… vier?“

 

Charity vorne raufte sich sichtbar die blonden Locken.

„Nur weiter.“ Mr DeLuce hatte aufgegeben, was vielleicht mitunter daran lag, dass sein Kollege mittlerweile in stummem Gelächter zu weinen begonnen hatte. „Das ist eh schon rum, Charity. Ziehs einfach durch.“

„Der letzte Wirt zeigte Gnade“, leierte Charity herunter. Ihre Wut war einem leckt-mich-doch-Gesicht gewichen.

„Mann“, murmelte Ben im Publikum. „Bin ich froh, dass ich bei dem Eiertanz nicht mitmachen musste.“

Seine Mutter wandte sich mäßig interessiert nach rechts.

„Löschzauber?“, erkundigte sie sich.

Ben hüstelte.

„Das ist mein Junge“, sagte Wyn stolz. „Kriminell, ganz wie Mutti.“

 

Oben auf der Bühne war mittlerweile Katherine aufgetreten und sie bemühte sich, wohl Charity und ihrem Gesichtsausdruck zu Liebe, das Spiel wieder in vertretbare Bahnen zu lenken.

„Oh, guten Abend, liebe Leute“, sagte sie. „Wenn ihr einen Platz in meiner Herberge suchet, so muss ich euch enttäuschen. Wegen der Volkszählung ist alles belegt.“

„Hach ja, die Politik“, seufzte Ishan.

„Wehen“, erinnerte Rory.

„Oh, eure Frau ist schwanger?“, erkundigte sich Katherine und folgte dann wieder stur ihrem Text. „Ein Zimmer habe ich nicht, doch ihr könnt in meinem Stall schlafen. Nur Ochs und Esel weilen dort, es ist nicht viel, doch trocken und ein Dach schützt gegen Wind und Sturm.“

„Wir nehmen das“, sagte Ishan. „Komm Ro… äh… Maria.“

Mit einem letzten hilflosen Blick auf Charity führte Katherine die beiden zu einem Bühnenausgang.

 

Katherine Luise Rothe - Wirt 3

 

 

„Und in diesem Stall brachte Maria ihr Kind auf die Welt“, sagte Charity kalt, was der Freudenbotschaft irgendwie die Freude nahm.

„Und pressen“, ertönte Ishans amüsierte Stimme hinter dem Vorhang. „Und noch einmal… fein, machst du das… oh, sieh mal, er hat meine Nase.“

„Es ist NICHT dein Sohn“, erinnerte Rory.

„Du musst es mir aber auch immer unter die Nase reiben“, ärgerte sich Ishan empört. „Fast so, als würdest du den Finger in die Wunde legen. Hast du dich eigentlich mal gefragt, wie ich mich fühle?“

„Ich krieg gerade ein Kind“, schimpfte Rory. „Meinst du, das ist jetzt ein guter Zeitpunkt, um mit mir zu diskutieren?“

„NIE ist ein guter Zeitpunkt! Immer gibt es Wichtigeres!“

 

Tate und Derra applaudierten, während Charity sich von einem ihrer Brüder eine Flasche auf die Bühne reichen ließ, die bestimmt kein Wasser enthielt. „Und so kam der Heiland zur Welt“, erzählte sie, während sie den Kronkorken entfernte. „In einem Stall in Bethlehem. Und ein strahlender Stern ging auf, den da sahen eine Gruppe Hirten auf dem Felde.“

 

Cadan Angel Sullivan - Weihnachtsstern

 

Angel trat auf, der die Rolle des Weihnachtssterns abgegriffen hatte und schwenkte mit Killerblick einen Holzstab, an dem ein großer Tonpapier-Stern klebte, der bunte Kreppbänder hinter sich herzog. Ihm folgte eine Gruppe „Hirten“, die eher aussah wie eine Horde Obdachloser, bestehend aus Liam in irgendetwas Wolligem, was nur auf Grund seiner Position am Körper als Weste bezeichnen konnte, bewaffnet mit einem Holzstab, den er herumschwang wie ein Ninja, Cadie kam hinterher, in einem Flickenrock und einem Strohhut, unter dem die pinken Haare hervorlugten, die Füße in riesigen Holzlatschen, so dass es eine Kunst war, dass sie überhaupt auf den Beinen stand, mit verschränkten Armen trat Nessa nach ihr auf die Bühne, die offenbar selbst in einem Müllsack noch atemberaubend aussehen konnte, oder – wie in diesem Falle – einer übergroßen Arbeiter-Latzhose und Base-Cap, und als letzter Kandidat folgte Alex, der sich die Hosenbeine bis zu den Knien gekrempelt hatte, um Platz zu schaffen für ein großes Paar alter Gummistiefel.

 

„Boah, guckt mal den STERN!“, erklärte Liam und deutete voller Begeisterung auf Angel. „Ist er nicht hübsch?“

„Ja, wie der leuuuchtet“, stieg Cadie mit ein. „So, als hätte er richtig Spaß dran.“

Angel hob mitten auf der Bühne den Mittelfinger, was bei einigen Eltern ein Raunen auslöste. In der zweiten Reihe seufzte Elijah leise auf.

„Und er winkt uns sogar“, hielt Liam mit unerschütterlichem Optimismus dagegen. Genau wie Ishan schien er Spaß an der ganzen Sache zu haben und wenigstens Cadie stand ihm in nichts nach.

„Das ist bestimmt voll das Zeichen“, spann sie Theorien. „Da ist bestimmt was voll Krasses passiert.“

„Vielleicht sollten wir ihm nachgehen“, schlug Alex vor.

„Oh, willst du sagen, der Stern bewegt sich?“, wies Liam ihn kichernd auf seinen Fauxpas hin.

„Oh“, machte Alex. „Ja… das… meinte ich.“ Er kratzte sich schuldbewusst am Hinterkopf.

 

 

 

Liam Green 

Janessa Rolands 

Cadie Lennox 

Alexander von Harrison 

 

- Hirten auf dem Felde

 

 


 

Der Vorhang geriet in Wallungen und erneut trat Riley auf.

„Yo!“, erklärte sie erneut, doch als sie Charitys Miene sah, hustete sie. „Ich meine… Hallelujah? Amen?“

„Oh, seht“, bemerkte Janessa spitz. „Ein Engel.“

Derras Gelächter übertönte den Dialog, so dass die drei verbliebenen Hirten ihre Überraschung noch einmal spielen mussten.

„Noiiiiiiin!“, mache Liam fassungslos. Cadie fiel dramatisch in Ohnmacht und Alex jappste wie ein Hund.

„Ja, Mann, jetzt chillt mal“, sagte Riley unwirsch. „Kriegt euch wieder ein… ich meine… fürchtet euch nicht. Ich bin bloß ein Engel. Und ich bringe frohe Botschaft.“

„Ist irgendjemand schwanger?“, zog Cadie sie auf. Rileys vernichtender Blick traf die Runde.

„Ne“, sagte sie. „Ich bin hier, um euch zu sagen, dass Jesus geboren wurde. Also, der Heiland.“

„Ist nicht wahr“, sagte Janessa trocken.

„Ja, doch.“ Riley wedelte zu Angel, der die Stange mittlerweile hatte sinken lassen und nur noch böse in die Gegend starrte. „Folgt dem Stern und ihr werdet den Heiland erblicken.“

 

In euphorischer Freude fielen Liam, Cadie und Alex sich um den Hals. Vorne auf der Bühne hatte Charity sich zurückgelehnt und die Notizen auf den Boden fallen lassen. Gemeinsam verließen die Hirten samt Stern und Engel die Bühne und man hörte nur noch Cadies Stimme verklingen: „Meint ihr, das kommt scheiße, wenn wir kein Mitbringsel haben?“

 

Mr DeLuce musste Charity laut beim Namen rufen, damit sie mit grimmiger Miene die Notizen wieder aufnahm und den nächsten Teil einleitete.

„Auch im Morgenland sahen drei Könige den Stern“, leierte sie herunter. Sie hatte mental schon abgeschlossen. „Und sie wussten, der Heiland war geboren und sie machen sich bereit und gingen auf die Reise, um vor ihm niederzufallen.“

Geklingel und Geklapper ertönte. Dann erschienen PJ, Blair und Ryan, alle drei in verzierte Tischdecken gewickelt mit Kronen auf den Köpfen, Ryan vorweg, Blair in der Mitte und PJ, mit seinen fast zwei Metern Körpergröße als Letzter. Er hatte sich dunkle Farbe ins Gesicht geschmiert um den afrikanischen König zu spielen, allerdings erinnerte es eher an einen Unfall mit Selbstbräuner.

 

Die Könige aus dem Morgenland:

 

Ryan Evans - Balthasar

Blair Dewatcher - Melchior

Pharrell Black Jackson - Kaspar

 

 

„Sehet den Stern!“, sagte er und ignorierte den Fakt, dass der Stern nicht mehr auf der Bühne war.

„Wenn du das jetzt noch einmal sagst“, murrte Blair, was man wegen der Akustik dummerweise im gesamten Zuschauerraum hörte. „Mann, ich brauch ne Zigarette.“

„Ich bin der Anführer“, schnaufte Ryan und seine Krone rutschte ihm beinahe vom Kopf.

„Darum geht’s ja auch hier“, spottete Blair. „Nicht irgendwie um die Heilsgeschichte und Gemeinschaft.“

Hinter dem Vorhang erklang erneut Gerangel, dann hörte man nur Angels lautes „Nein“. Gefolgt von einem „Fickt euch!“. Irgendwo im Zuschauerraum rutschte Elijah tiefer in seinen Sitz.

PJ sprang in die Bresche.

„Da ist der Stern“, sagte er, legte den Kopf in den Nacken und beschattete mit der Hand seine Augen gegen die grellen Scheinwerfer. „Folgen wir ihm.“

„ICH bin der Anführer“, verlangte Ryan.

„Aw, mein kleiner Schatz“, hörte man eine Mutter gerührt aus dem Publikum.

„Und was schlägt der Anführer vor?“, ging PJ gutmütig darauf ein.

„Folgt dem Stern“, sagte Ryan und Blair stöhnte auf.

„Ich steh auf unsere Einigkeit“, grinste PJ.

 

„Kaspar, Melchior und Balthasar, die drei Könige aus dem Morgenland kamen vorbei an der Residenz des König Herodes“, sagte Charity.

In diesem Falle hatte es John erwischt. Und er war mindestens genauso motiviert wie seine kleine Schwester bei der Sache. Ursprünglich hatte er den Engel gezogen, doch Riley hatte sich wie üblich mit Zucker bestechen lassem.

„Oh, ihr Weisen.“ Noch dazu fehlte John Erins Talent. „Was führt euch durch dieses Land?“

„Herrrroooodes, du altes Haus!“ PJ fiel ihm um den Hals. „Da sieht man sich wieder. Hey, gut siehst du aus. Hast du abgenommen?“

Überfordert blickte John ihn an, dann leierte er einfach völlig unfähig zur Improvisation seinen Text herunter.

„Der Heiland sagt ihr?“, erklärte er und irgendwo warf es Derra vom Stuhl. „Richtet ihm meine Glückwünsche aus. Und auf dem Rückweg, da kehret bei mir ein und saget mir, wo ich diesen Heiland finde, damit ich ihm meine Huldigung überbringe..“

„Mann, du kannst ja Gedanken lesen“, zog PJ ihn auf. „Das wollte ich dir gerade sagen, wir folgen dem Stern um den Heiland aufzusuchen, den größten König der Welt.“

John fuhr fort wie ein Trottel.

„Spricht zu Seite“, sagte er. „Von wegen Huldigung. Kein König darf größer sein als ich. Töten werde ich den Säugling.“

 

John Wood - König Herodes

 

Stille trat ein. Dann ertönte ein Klingeln, als Blair, aktuell König Melchior, sich wiederholt gegen die Stirn schlug.

„Ja, Mann“, sagte PJ und warf Charity einen Blick zu, doch die zuckte die Achseln. „Ja, also… wir tun jetzt mal so, als hätte ich das nicht gehört. Danke für deine Gastfreundschaft.“

„Möge eure Reise erfolgreich sein“, sagte John. „Geht ab.“

„Das ist die Regieanweisung, du Spaten“, pflaumte Blair ihn entnervt an. „Das heißt, du sollst von der Bühne gehen.“

John trat kopfschüttelnd in die Schatten und Ishan und Rory kamen dazu, beide grinsten wie bescheuert, da sie wohl von der Seite aus dem Trauerspiel gefolgt waren. Rory hielt außerdem eine Baby-Puppe in der Hand, eingewickelt in einen Aldcrest-Blazer.

 

„Aw, lass ihn uns Jesus nennen“, schlug Rory vor.

„Ich möchte aber Kurt“, sagte Ishan. „Nach meinem Vater.“

„Er ist nicht mal dein Sohn“, erinnerte Rory.

„Geht das schon wieder los?“, seufzte Ishan. „Fein, können wir ihn wenigstens Pharrell nennen?“

„Naaah“, machte Rory. „Jesus. Ich bestimme.“

„Jaja, voll die Bestimmerin. Du bist mein Besitz.“

„Aber nicht das Baby. Das ist mein Besitz. Also heißt er Jesus.“

 

Ishan und Rory hockten sich zusammen auf den Boden und Riley trat hinter sie, während die Könige auf die Gruppe zueilten.

„Hierher“, winkte Riley. „Yo, Leute. Hier sind wir.“

PJ, Blair und Ryan eilten auf die Gruppe zu.

„Erst die Hirten“, zischte Rory.

„Oh.“ Riley stockte. „Halt, verlauft euch noch ne Runde… wo sind die Hirten?“

Liam, Cadie und Alex crashten auf die Bühne, Janessa folgte weitaus weniger enthusiastisch.

„Das Jeeeesuskind“, freute sich Liam. „Wie heißt es?“

„Jesus“, sagte Rory trocken.

„Toller Name“, sagte Liam, „Hey, Kollegen, kommt mal her, der Heiland ist hier.“

„Lasst ihn uns anbeten“, stieg Alex voll mit ein. Im Publikum kicherte Sky, als Alex beinahe stürzte.

 

„Und jetzt die Könige, bitte“, verlangte Riley. „Yo, PJ, komm her.“

„Für dich immer noch Kaspar, Gabby“, erklärte er und kam mit seiner Truppe dazu.

Riley schüttelte den Kopf. „Na, das passt“, sagte sie. „Komm, knie nieder vor dem Heiland.“

„Ja, Mann“, grinste Ishan. „Knie nieder, Kaspar.“

PJ und Ryan kamen auf die Knie, nur Blair knickste alibiweise, was irgendwie abfällig aussah.

„Wir bringen Geschenke“, sagte Ryan.

„Ihr Schleimer“, sagte Cadie. „Seht ihr, ich hab ja gesagt, wir sollen was mitbringen. Hat irgendjemand ein Schaf oder so?“

„Gold, Weihrauch und Myrre“, fuhr Ryan fort.

„Was' eigentlich Myrre?“, wollte PJ im Flüsterton wissen. Der Zauber, der die Bühne belegte, ließ alles bin in die hinterste Ecke des Zuschauerraums dringen.

„Das ist ein Gewürz, du Pfosten“, klärte Ishan ihn auf. „Google es halt. Das riecht irgendwie gut.“

 

Charity war jetzt wieder aufgestanden.

„Und so“, erklärte sie. „Endete die Weihnachtsgeschichte in Eintracht und Frieden in einem Stalle. Und Christus ward geboren. Und der Weihnachtsstern strahlte und ein Engelschor sang.“

„Sind wohl noch unterwegs“, sagte Riley und zuckte die Achseln.

„Amen“, spottete Ishan.

 

Stille trat ein. Die Truppe blickte ins Publikum. Und auch das schwieg. Dann begann heftiger Applaus aus der ersten Reihe. Professor Dingeldey war aufgesprungen, klatschte wild und jauchzte.

„Großartig!“, quietschte er. „Ganz großartig! Großartig.“

Auch DelDesincourt war aufgestanden, kurz darauf folgten Derra und Tate und schließlich stand sogar Wyn auf. Die Eltern folgten, manche verstört, andere mit einem Schmunzeln.

„Macht den verdammten Vorhang zu“, schnauzte Charity nach hinten und irgendjemand zog an der Kordel, so dass rechts und links die Vorhänge zur Seite fuhren.

 

 

...und Charity Fairclough als Erzählerin.

 

~*~

 

 

Die Meinungen der Eltern waren geteilt über das Stück. Elijahs Vater verpasste Angel eine Kopfnuss.

„Das F-Wort auf der Bühne?“, sagte er. „Junge, Junge...“

 

Riley und PJ kabbelten sich noch im Gewand, wo PJ den Engel huckepack nahm und so die ganze Theaterfarbe auf dem Bettlaken und auf Riley verteilte, während Isa neben John die Stirn runzelte.

„Ich hatte das ja anders in Erinnerung“, sagte sie.

„Ich hab nicht mal zugeschaut“, sagte John. „Hoffentlich hat niemand Fotos gemacht.“

 

Ryan wurde von seiner stolzen Mutter überfallen, die beinahe in Tränen ausbrach und auch Mrs Holmquist kniff Heath in die Wange.

„Das hast du so toll gemacht, Schatz“, sagte sie und drückte ihm einen Kuss auf die Wange.

„Und jetzt zieh dir was an, du holst dir ja den Tod. Nicht, dass das noch eine Blasenentzündung gibt.“

„Ja, Mama“, sagte Heath artig und ging sich anziehen.

 

 

Charitys Brüder hatten alles gefilmt und gackerten wie verrückt.

„Aus dem Weg, ihr Terrorkrümel“, knurrte die.

„Ach, komm schon, das war so toll“, zog Fynn sie auf.

„Hey, der Typ mit dem Stern war hart“, plapperte sein Zwillingsbruder dazwischen.

 

„Nie wieder“, erklärte Janessa ihrem Freund und schälte sich aus der Latzhose.

Derra nehm ihr das Base-Cap ab. „Das ist so sexy“, sagte er kopfschüttelnd. „Irgendwie verstörend. Aber heiß.“

 

Die Eltern von Liam und Evelyn nahmen es genau wie ihre Kinder mit Humor.

„Das nenn ich mal eine moderne Auffassung“, zog der Vater sie auf. „Ich wette, keiner von euch hat Text gelernt.“

„Es gab nen Text?“, stellte Liam geschockt fest.

„Das haben sie alle von dir“, sagte seine Mutter zu ihrem Mann.

 

„Aus Gründen?“, zog Tate Ishan auf und reichte ihm ein Bier. „Lass mich raten, wie deine Gründe hießen: Pierre, Giuseppe, Jean und Clement?“

„Es gab auch Grace, Anne und Wolfsfeder.“

„Wolfsfeder.“ Tate hob eine Augenbraue.

„Esoterikerin“, sagte Ishan. „Lange Geschichte. Frag mich nach der vierten Flasche nochmal.“

„Challenge accepted“, erwiderte Tate.

 

Kommentare: 6
  • #6

    Franzi (Samstag, 24 Dezember 2016 15:25)

    Auch ich bin etwas spät an, aber besser spät als nie. Und dieses wundervolle Türchen verdient doch noch ein paar Worte.
    Das Krippenspiel hätte lustiger und genialer nicht sein können. Ich hab es gelesen und ständig wie blöd vor mich in gelacht, weil es einfach so witzig ist. Es wurde ja schon gesagt, die Besetzung ist so skurril, aber doch so amüsant, gerade Charrie hat mich erstaunt, und generll brachten sie es alle zu solch einem lustigen Krippenspiel. :D Hat doch auch was. Mir gefällt vor allem der Aufbau so schön, das wurde so toll umgesetzt, Lilly.

    Und auch das Bild mal wieder wundervoll. Diese tiefe Zuneigung, das Vertrauen. Hach, einfach schön. :-)

  • #5

    Ivy (Samstag, 24 Dezember 2016 09:45)

    Einen Tag verspätet, aber ich denke, man wird es mir verzeihen^^

    Das Krippenspiel versüßt einem echt den Tag ;) Wie sie alle aus der Rolle fallen und eigentlich voll sie selbst sind. Ich musste so lachen, als Wyn "Ganz mein Junge" sagte. So geil XD

    Das Bild ist auch mal wieder der Hammer^^ Ich liebe die Darstellsung von Janessa und Derra und man sieht, wie stark Derra eigentlich gebaut ist^^

    Klasse Türchen. Wie immer ;)

  • #4

    Prinzessin Dracula (Samstag, 24 Dezember 2016 00:25)

    Wenn an meiner Schule nur mal so ein schönes Krippenspiel aifgeführt worden wäre ... :D
    Es ist so lustig und die Besetzung ist einfach so wirr und bescheuert ... und wie sie auf der Bühne rumdiskutieren xD
    Ishan ist einfach großartig und Riley als 'Gabby' ist der Hammer! XD
    Wirklich super geworden! :)

  • #3

    Nature (Freitag, 23 Dezember 2016 18:02)

    Hey!

    Das Krippenspiel war ja mal sowas von genial! :D

  • #2

    Lara (Freitag, 23 Dezember 2016 13:15)

    Das Krippenspiel war der absolute Hammer xD
    Mir gings da ähnlich wie Derra, ich musste an einigen Stellen so krass lachen, dass ich fast vom Stuhl gefallen wäre xd
    So unglaublich geil, das ist für mich bis jetzt eins der Highlights des Kalender :D

    Das Bild ist genial. Ich liebe Derra und Nessa sowieso, keine Frage, und ich hab die ganze Zeit schon auf ihr Bild gewartet :p

    (ps: MORGEN IST ES SOWEIT FREUNDE)

  • #1

    EternalViper (Freitag, 23 Dezember 2016 02:22)

    HeyHo xD

    Ich schmeiß mich weg vor Lachen. Mir kamen schon die Tränen ^^
    Ich kann nicht mehr. :D Wie könnt ihr mir das antun. xD
    Das ist so genial. Ich wünschte dir Charity wäre immer so.
    Ich hab nicht mal eine Lieblingsstelle, weil einfach alles so unfassbar lustig und großartig war.
    Mehr kann ich einfach nicht dazu sagen, zum einen weil es schwierig ist einen vernünftigen Kommentar zu schreiben, wenn man dabei immer noch am Lachen ist.

    Bitte macht das öfter. xD

    P.S. Das Bild ist ja mal wieder sweet geworden.

    BB Eternal