Der Weihnachtsmann - Fluch oder Segen?

Ein OS

von Larissa

Weihnachtsstimmung zog in Aldcrest ein. Ein riesiger Weihnachtsbaum schmückte die Eingangshalle und dank Mr. Lavender hingen überall Mistelzweige. Aus den Boxen erklang wie in Dauerschleife „Last Christmas“ und die Cafeteria war voller Schüler.
Derra und Janessa setzten sich mit ihren Tabletts zu Erin und während Derra im Takt der Musik mit dem Fuß wippte, rieb sich Janessa seufzend die Schläfen: „Ich verspreche euch, wenn ich dieses Lied noch ein einziges Mal hören muss, gibt es Verletzte.“
„Dann sei mal froh, dass du nicht der Weihnachtsmann bist, der muss sich den Scheiß vermutlich das ganze Jahr anhören“, lachte ihr Freund.
„Stimmt, es ist vermutlich ganz gut, dass es ihn gar nicht gibt. Das wünscht man wirklich niemandem“, erwiderte die Angesprochene.

PJ am Nebentisch fiel die Kinnlade runter und fassungslos drehte er sich zu den beiden um: „Das es den Weihnachtsmann nicht gibt, soll gut sein?! Hast du überhaupt ein Herz? Denk doch an die ganzen armen Kinder, deren Socken-Schubladen überquellen, weil es keinen Weihnachtsmann gibt, der weiß, dass Socken definitiv nicht auf dem Wunschzettel stehen!“.
Riley neben ihm kicherte und erwiderte: „Hast du dir die ganzen Kinder mal angesehen, die hier rumlaufen? Kinder sind böse. Ginge es nach dem Weihnachtsmann, würde ein Großteil der Kiddies ganz leer ausgehen.“ „Oder verprügelt werden. Mit der Rute“, mischte sich auch Cadie grinsend in die Diskussion mit ein. „Wäre das nicht eher ne gute Sache?“, schnaubte daraufhin Lauren, die mit halbem Ohr zugehört hatte.

PJ schüttelte ungläubig mit dem  Kopf: „Wie kannst du mir so in den Rücken fallen?“, wandte er sich an seine Freundin, die sich längst wieder ihrem Essen zugewandt hatte.
Überraschend Unterstützung erhielt er von Derra, der mit seiner Faust auf den Tisch schlug und verkündete: „Der Weihnachtsmann würde doch keine Kinder schlagen! Und stellt euch mal vor, wie cool es wäre, sich nicht selbst um die Geschenke kümmern zu müssen!“ Seine Augen bekamen einen schwärmerischen Glanz, Janessa jedoch zog abschätzig eine Augenbraue hoch: „Ist dir bewusst, was für ein Desaster das für unsere Wirtschaft wäre? Die Unternehmen verlassen sich auf unser Last-Minute Weihnachtsshopping. Der Weihnachtsmann mit seiner 'Wichtelwerkstatt' würde uns glatt in eine neue Krise stürzen.“
„Aber wenn, sagen wir, die Wichtel das Material für die Geschenke von internationalen Unternehmen kaufen würden, wäre das nicht sogar gut für die Wirtschaft?“, mischte Ben sich vorsichtig ein. „Außerdem wäre die Adventszeit dann nicht so stressig und wir könnten diese Zeit viel besser genießen.“
„Ja. Und der Weihnachtsmann müsste wegen Burn-Out eingewiesen werden. Sich jedes Jahr um die Geschenke für rund 7 Milliarden Menschen zu kümmern, klingt nicht unbedingt nach Spaß. Selbst mit der Hilfe von Wichteln bezweifle ich, dass der viel Urlaub bekäme“, meldete Cadie sich ein weiteres Mal zu Wort.

„Generell würde es ihm gesundheitlich nicht besonders gut gehen. In diesen fetten Pelzmänteln dehydriert er doch, wenn er Orte wie Spanien mit Geschenken versorgt“, merkte Riley an und zuckte mit den Schultern, als sie PJs bedrohlichen Blick bemerkte. „Ich sag ja nur. Vielleicht hätte er ja Ersatzklamotten mit“, damit küsste sie ihn entschuldigend auf die Wange.
Schnaubend kam von Erin: „Kunstpelz will ich doch hoffen. Wobei ich es schon fast bezweifle. Jemand, der so grausam ist ein paar Rentiere einen tonnenschweren Schlitten mit Milliarden von Geschenken ziehen zu lassen, dem trau ich auch zu für seinen Mantel Tiere leiden zu lassen.“
„Whoa Erin. Ein bisschen Fantasie bitte! Das wären magische Rentiere mit leuchtenden Nasen und der Fähigkeit zu fliegen. Die würden da Spaß dran haben, ganz sicher.“ Damit fing Derra an 'rudolf the rednose reindeer' vor sich hin zu summen, was seine Freundin lächelnd den Kopf schütteln ließ. Erin schien allerdings nicht überzeugt und verdrehte die Augen.

„Außerdem geht es ums Prinzip“, stellte PJ sich auf Derras Seite, „der Schlitten des Weihnachtsmanns flöge sowieso mit Glitzerstaub und es ginge im Grunde um die friedliche und sorgenfreie Atmosphäre und die Liebe in der Luft.“ Damit zog er Riley in eine liebevolle Umarmung, aus der sie sich allerdings nach einigen Sekunden freikämpfte um anzumerken: „Das war total süß von dir. Aber denk mal an die Klimaerwärmung. Die Arktis schmilzt, was den Weihnachtsmann obdachlos machen würde und ich glaube dann wäre der alles andere als friedlich und sorgenfrei. Wie passt das in dein Prinzip?“ Herausfordernd schaute sie ihren Freund an und der antwortete grinsend: „Der könnte bei uns wohnen. Und hey, Weihnachten im Sommer? Poolparty!“ Triumphierend klatschte er Derra ab und zog Riley in einen innigen Kuss, den sie schmunzelnd erwiderte.

Verschwörerisch lehnte Erin sich nun vor: „Ich habe noch einen Einwand, der sich nicht mit einer Poolparty lösen ließe“, sagte sie provozierend, „Mit dem Weihnachtsmann würde Kindern beigebracht, dass dickliche alte Männer mit Süßigkeiten und Geschenken vertrauenswürdig seien.“
Einen Moment lang blieb es still. Dann fing Derra an zu lachen und rief aus: „Kinder erkennen ja wohl den Unterschied zwischen dem Weihnachtsmann und dem perversen Opi von gegenüber!“
„Da würde ich nicht drauf wetten. Kinder sind nämlich nicht nur böse sondern in der Regel auch ziemlich dumm“, stellte Cadie zwinkernd fest. Ungläubig sah Derra in die Runde und fragte schließlich seufzend: „Was hat euch nur so verkorkst?“

„Die Gesellschaft. Die Konsumsucht. Die würde übrigens auch den Weihnachtsmann verkorksen“, kam es völlig unerwartet von Marie Patel, die bisher nur unbeteiligt daneben gesessen hatte, „Der Weihnachtsmann würde sich die teuren Geschenke nur noch mit Sponsoren leisten können, weshalb er bestechlich werden und seinen Ruf verlieren würde. Darum käme er wegen Korruption ins Gefängnis und würde dort Mörder und Kinderschänder kennenlernen. Er verlöre den Glauben an die Menschheit und würde zum nächsten Weihnachten alle Geschenke vergiften. Mit Engelschören im Hintergrund und „Last Christmas“ auf den Lippen würden wir dann alle sterben.“
Eine fassungslose Stille legte sich über die Schüler und entgeistert starrten sie Marie an. Zum zweiten Mal an diesem Tag fiel PJ die Kinnlade runter.
Nach einer gefühlten Ewigkeit räusperte sich Ben: „Okay wow. Ich schätze du bist echt sauer, dass du nie diesen Baukasten bekommen hast.“