Vorstellungsgespräch: Mr Henry Lavender

 

Autorin: Larissa

 

Ein roter, protziger BMW Cabrio fuhr auf den Parkplatz des Internats und krachte mit Volldampf in das einschüchternde Schultor Aldcrests. Also zumindest schien der Fahrer das zu versuchen. Das Cabrio kam nämlich mit einer Geschwindigkeit angerast, die jedes Eichhörnchen auf Energy eifersüchtig gemacht hätte, und hielt mit Vollbremsung ein bis zwei Mikrometer vor dem Tor an. 

Beinahe in Zeitlupe öffnete sich die Fahrertür und die Billigversion von Leonardo DiCaprio stieg aus und rückte sich in möchtegern-cooler Hollywood Manier die Sonnenbrille zurecht. 

Lässig klopfte er an das in der riesigen Steinstatue eingelassene Fenster und stellte sich dem Wachmännchen vor: „Mein Name ist Lavender. Henry Lavender. Ich werde erwartet.“ 

Unbeeindruckt zog der Angesprochene die Augenbrauen hoch und musterte ihn von oben bis unten: „Sie kommen wegen der Stellenanfrage nicht wahr? Sie passen perfekt in dieses Irrenha.. Internat.“

Daraufhin grinste er den James-Bond-Verschnitt vielsagend an und drückte auf den Toröffner um Henry hineinzulassen. 

Dieser warf dem Torsteher den Autoschlüssel zu mit den Worten: „Hier, parken sie mein Baby ein. Und Finger weg von meinem Vorrat im Handschuhfach! XL passt ihnen eh nicht.“ 

Daraufhin lachte er, als hätte er einen unglaublich eloquenten Witz gemacht und ließ den Wachmann kopfschüttelnd hinter sich zurück. Ohne „Danke“ zu sagen. Die ganz coolen Jungs bedankten sich nicht.

 

Das Hauptgebäude war beeindruckend und wäre Henry nicht so unsagbar cool hätte ihn das bestimmt eingeschüchtert. Einige Teenager waren auf den Gängen unterwegs und wenn er sich die Schülerinnen mal genauer anschaute, dann freute er sich schon darauf diese bald bei sich im Unterricht sitzen zu haben. Natürlich nur weil er es kaum erwarten konnte, seinem Bildungsauftrag nachzukommen. 

Kurz vor seinem Ziel kam ihm eine wunderschöne Blondine entgegen und selbstbewusst zwinkerte er der Schönheit zu. Leider ging diese an ihm vorbei, ohne ihn eines Blickes zu würdigen. Sein Ego blieb aber unbeschädigt, schließlich hatte das Mädchen sein Zwinkern vermutlich gar nicht gesehen. Er hatte nämlich vergessen die Sonnenbrille auszuziehen. Grinsend über dieses Missgeschick kam er im Sekretariat an. 

Dort empfing ihn eine gestresst wirkende Sekretärin, die ihn mit einem Wink mit der Hand anwies Platz zu nehmen. Anzüglich lächelte er sie an und setzte sich neben einen nervös herumzappelnden, jungen Mann, der nach Dünger roch. Dieser Raum hatte nur zwei Stühle. Henry seufzte.

„Ich bin Rufus Whitman. Sie können mich Rufus nennen.“ sagte der Mann rechts von ihm und streckte ihm erwartungsvoll eine Hand hin. „Ich bin Henry Lavender. Sie können mich Mister Lovoo nennen.“ antwortete Henry freundlich und schüttelte Rufus mitleidig die Hand. So einer würde nie eine Frau finden. Armer Kerl. Obwohl, wenn er an seine Ex-Freundin dachte, war vielleicht doch er es, der arm dran war. 

„Sie sind bestimmt nervös oder? Ich sehe es Ihnen an, natürlich sind sie nervös. So ein großer Tag. Sie schaffen das wissen sie. Sie können alles schaffen! Sie müssen nur an sich glauben Mr. ..ähh... Lovoo.“ riss ihn Rufus aus seinen Gedanken. 

Abschätzig betrachtete er den angehenden Lehrer, dessen kleine grau/blaue Augen ihn hinter der riesigen schwarzen Brille erwartungsvoll ansahen. Er erinnerte ihn an eine Ratte. 

„Ich wüsste nicht, wieso ich nervös sein sollte. Immerhin wird die Schule von einer Frau geleitet und Frauen lieben mich. Aber das haben sie bestimmt schon selbst bemerkt“, erwiderte er mit einem vielsagendem Blick auf die gereizte Sekretärin. Diese tat als hätte sie ihn nicht gehört. Süß.

Das Eichhörnchen wurde rot und nickte verständnisvoll. Langsam sagte er: „Wenn sie jemals jemanden zum reden brauchen, dann melden sie sich bei mir. Ich kann ihnen helfen.“

Und während Mr. Lavender seinen Mitbewerber noch verständnislos von der Seite ansah, öffnete sich die Tür zum Direktorat und ein völlig verstörter älterer Herr kam hinaus. Mit weit aufgerissenen Augen sah er seine beiden Konkurrenten an und hauchte ein verängstigtes: „Viel Glück.“

Dann verließ er fluchtartig den Raum. 

Auffordernd sah die Sekretärin den nun doch leicht verunsicherten Henry an: „Na los, sie sind dran. Keine Sorge, sie beißt schon nicht. Obwohl.. einmal war da dieser Praktikant, der...“ 

„Schon gut, ich hab Erfahrung mit kratzbürstigen Frauen“ unterbrach Mr. Lavender sie selbstbewusst und stand auf. „Ich drücke ihnen die Daumen“, rief Rufus noch hinterher. Dann fiel die Tür hinter ihm ins Schloss.

 

Als er die Direktorin sah, wurde ihm dann doch ein wenig mulmig zumute. Die Frau in dem pechschwarzen Schreibtischstuhl sah nicht aus wie eine Direktorin. Sie trug weder eine standardmäßige Bluse, noch hatte sie gepflegte Fingernägel oder auch nur gekämmte Haare.

Stattdessen standen ihre Haare wild zu allen Seiten ab und ihr Outfit bestand aus einer zerrissenen Jeans mit einem roten Top, Lederjacke und schwarzen Doc Martens mit Totenkopf darauf. Sie trug noch nicht einmal einen Bh. Henry schluckte. 

Ohne aufzusehen deutete die Frau auf den Stuhl vor ihrem Schreibtisch und nervös setzte er sich dorthin. „Ich bin Seraphina Valerie Winter Darrenforth-McLainne, Oberhexe und Direktorin. Man nennt mich auch Wyn. Und Sie sind?“ 

Nun sah die Frau mit den vielen Namen auf und fixierte Henry mit einem Blick unter dem der arme Mann zu schrumpfen begann.  

„Ich bin Henry Lavender, Mensch und Casanova 2.0. Haha. Man nennt mich auch Mister Lov... äh.. Henry Lavender.“ Er lachte nervös.

„Aha.“ sagte die Direktorin und goss sich eine neue Tasse Kaffee ein. 

„Könnte ich auch einen..“, setzte der Lehrer an, brach aber ab als er Wyns bedrohlichen Blick sah. Schien als teilte sie nicht gerne. Auch gut. Oder auch nicht. Einen Kaffee hätte er jetzt gut gebrauchen können.

„Jetzt schweigen Sie nicht wie so ein Mönch, sondern legen Sie mal los. Wie alt sind Sie? Was wollen Sie hier? Sind Sie homophob oder frauenfeindlich? Haben Sie ein Problem mit der Prügelstrafe?“

Überrumpelt begann Wyns Opfer zu reden: „Also ähm, offiziell bin ich 46 Jahre alt, auch wenn man mir das nicht ansieht. Im Herzen jung geblieben. Hier unterrichten möchte ich, weil Jugendliche einfach toll sind. Oder so. Und sie lieben mich, besonders die weiblichen. Wenn Sie verstehen was ich meine,“ er zwinkerte Wyn zu, doch diese zuckte nicht einmal mit der Wimper. 

„Nicht? Okay. Auch gut. Also wie gesagt sehe ich noch ziemlich jung und gut aus und kann mich darum gut mit den Schülern identifizieren. Und umgekehrt. Weshalb ich als Lehrer, und natürlich auch als Mensch, überaus gute Qualitäten habe.“ Die Rektorin gähnte, doch Henry kam jetzt erst richtig in Fahrt: „Homophob bin natürlich nicht, obwohl ich persönlich Frauen bevorzuge. Generell bin ich also auch absolut nicht frauenfeindlich. Im Gegenteil ich liebe Frauen! Jede Art von Frauen; große, kleine, asiatische, dunkelhäutige, junge, alt.. noch jüngere. Nette Frauen, freche Frauen, stille Frauen, laute Frauen, schöne Frauen, lustige Frauen, ernste Frauen, Frauen mit Beinbehaarung, wenns sein muss auch Frauen ohne Beinbehaarug, Frauen mit...“

„Ich glaube, Ihr Punkt ist deutlich geworden, Mr. Henry Lavender. Reden Sie bitte über etwas, dass mich nicht zum kotzen bringt.“

„Okay. Entschuldigen Sie. Ich bin einfach immer so leidenschaftlich wenn es um den Job geht.“ 

„Ich seh schon. Wie war das jetzt mit der Prügelstrafe?“ hakte die Direktorin nach.

„Ist die nicht illegal..?“ 

„Ist das ein Hindernis?“ Provokant hob Wyn eine Augenbraue und schlürfte an ihrem Kaffee.

„Ich schätze nicht..?“, antwortete Henry, unsicher was man von ihm hören wollte.

„Gut.“ sagte die Rektorin und unser Casanova begann zu schwitzen.

Mrs. Darrenforth-McLainne stellte ihre Tasse Kaffee ab und blätterte in ihren Unterlagen.

„Wie ich sehe sind Sie von einigen Ihrer früheren Schulen geflogen. Was haben Sie angestellt?“

„Ich ähem.. was vergangen ist, ist vergangen? Ist die Frage wirklich notwendig?“ fragte Henry, dessen Kopf langsam eine ungesunde rote Farbe annahm. 

„Wollen Sie mich auf den Arm nehmen? Antworten Sie gefälligst, wenn ich etwas frage. Und reden Sie nicht wieder um den heißen Brei herum. Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit und überhaupt ist meine Zeit kostbar.“

Tief holte Henry Luft und antwortete, wie gewünscht, ohne viel drumherum: „Ich hatte Geschlechtsverkehr mit Schülerinnen, die ihre Noten aufbessern wollten. Aber es geschah absolut freiwillig!“

„Achso“ erwiderte die Rektorin schulterzuckend, „haben Sie verhütet?“

„Natürlich!“ beteuerte Mr. Lavender.

„Dann sollte das kein Problem darstellen. Vorausgesetzt Sie versprechen mir das an dieser Schule zu unterlassen. Fürs Protokoll.“

„Absolut, das verspreche ich ihnen. Ich werde im Klassenraum 100% anständig und abstinent sein.“

„Hmmh. Gut. Welcher Beschäftigung sind Sie nach Ihrer Kündigung nachgegangen?“

„Ich habe in einer sehr erfolgreichen internationalen Restaurantkette gearbeitet.“

„Sie waren bei McDonalds?“

„Ja genau.“ Beschämt sah Henry zu Boden und warf heimlich einen kurzen Blick auf die Uhr. Wie lange konnte so ein Vorstellungsgespräch denn dauern? 

Wyn schien dieser Blick nicht entgangen zu sein, denn sie sagte: „Keine Sorge, Sie können gleich gehen, ich möchte mich auch nicht länger mit Ihnen unterhalten als nötig. Eine letzte Frage muss ich der Form halber aber noch stellen. Welche Fächer unterrichten Sie?“

Ertappt beeilte sich Mr. Lavender zu antworten: „Französisch, Philosophie und Kunst!“ Stolz schwang in seiner Stimme mit.

„Nun. Wir brauchen keinen Kunstlehrer mehr,“ erwiderte die Direktorin stirnrunzelnd, „Sprechen Sie zufällig Spanisch?“

Verlegen antwortete er: „Naja also, ich war ein paar mal in Spanien, wegen einer Frau, die.. nicht so wichtig. Jedenfalls kann ich ein paar Brocken, immerhin fahre ich dort ab und zu in den Urlaub, aber..“

„Perfekt. Mehr wollte ich gar nicht hören. Sie sind eingestellt. Herzlichen Glückwunsch.“

Eilig erhob sich die Rektorin und scheuchte DiCaprio für Arme von seinem Stuhl hoch. 

„Cool danke,“ sagte dieser überrascht aber verschmitzt grinsend und stand auf. „Ich wusste dass Sie mir nicht widerstehen können.“ Offensichtlich hatte er sein Selbstbewusstsein wiedergefunden.

Seraphina verdrehte die Augen und sagte: „Sie können froh sein, dass ich keine Lust habe mich mit noch mehr Bewerbern herumzuschlagen. Gehen Sie jetzt, bevor ich es mir anders überlege.“

„Na klar doch. Es war eine ganz besondere.. Erfahrung.. Sie kennenzulernen.“ erwiderte Mr Lavender unbeeindruckt und mit schmierigem Grinsen. Die beiden verließen den Raum. 

Zum Abschied streckte er ihr die Hand hin doch Wyn schüttelte nur angewidert den Kopf. „Ohh nein, ich werde Ihnen nicht die Hand schütteln. Wer weiß wo die vorher war,“ sagte sie mit einem eindeutigen Blick auf seinen Schritt. 

Unbeholfen und etwas verlegen steckte Henry seine Hand zurück in die Hosentasche, doch Wyn nahm gar keine Notiz mehr von ihm, sondern hatte sich schon Rufus zugewandt. 

„Na kommen Sie, ich tu ihnen nicht... okay lassen wir das. Sie wollen den Job? Hier geht’s rein.“ Daraufhin drehte sie sich um und ging zurück in ihr Büro und Rufus folgte ihr während er am laufenden Band „Ich schaff das. Ich schaff das. Ich schaff das.“ vor sich hin murmelte. Loser.

Kommentare: 2
  • #2

    Nature (Dienstag, 08 Dezember 2015 18:56)

    Omg!
    Dieser Typ ist ja mal... krass.
    Ich habe mich bald schlappgelacht beim lesen! Echt super geschrieben!
    Besonders das "Eichhörnchen auf Energy"... Spitze! Larissa, du hast es drauf!
    Auch die Stelle mit der Sonnenbrille! So ein Typ...
    Wyn ist wie immer cool drauf und der Spruch am Ende und der Blick... Super!

    Dieser Adventskalender ist super geworden und versüßt einem tatsächlich die Vorfreude noch mehr!

    Danke Lilly ;)

    <3

  • #1

    Lilly (Dienstag, 08 Dezember 2015 14:52)

    Haha, dann bin ich heute wohl die erste XD
    Ich hab mich ja schon ewig auf diesen Tag gefreut. Zuerst einmal das Bild: Richtig süß XD Kathy ist schon echt eine tolle Person und das Bild ist richtig schön geworden, auch mit diesem so lässig gekickten Bein :D (und einem riesigen Geschenksack Oo)

    Bei dem OS hab ich mich ja so weggeworfen. Beim ersten Mal wie auch jetzt wieder und ich glaube die Frage: Was macht der Ömpel an der Schule, kann damit eindeutig mit "WEIL ER SO COOL IST" beantwortet werden. Vor allem, weil halt auch NICHTS sein Selbstbewusstsein nachhaltig erschüttert XDD Mr Lovooooo XDDD Und mit dem Eichhörnchen *heult*

    Kurz: ich liebe dieses Türchen, liebste Larissa, liebste Nature, ihr habt das heute richtig gerockt <3

    Just: ♥♥♥