Die Taten des


I G O R   B R E S C H O L I J A K O F F

In der Mühle ist es dunkel. Igor hat eine Ratte in der Hand. Die Katze hat sie erwischt, sie ist verletzt. Sie windet sich.
„Igor“, blafft der Vater draußen. Igor ist erst dreizehn.
Die Ratte ist sehr weich, findet Igor. Schönes weiches Fell. Freudig drückt er fester zu, schlingt seine Finger in die Weichheit unter sich. Die Ratte quiekt.
„Igor“, verlangt sein Vater draußen wütend.
Igor drückt fester zu. Die Ratte quiekt lauter, schreit jetzt. Etwas knackt. Und bei diesem Knacken passiert etwas in Igor. Es ist wie eine kleine Freude, eine Flamme in seinem Inneren, die schon immer geglüht hat, aber die jetzt brennt.
„Igor“, brüllt sein Vater.
In der Mühle drückt Igor zu. Ganz langsam und immer fester, bis es knackt und knackt und knackt und dann ist die Ratte mit einem mal still. Kein Quieken mehr, kein Zappeln. Dafür läuft Blut Igors Finger herunter. Igor lächelt. Noch nie hat er so etwas Schönes gefühlt.



~*~


Igor ist sechsundzwanig. Neben ihm liegt seine Freundin nackt unter den Decken. Liebevoll streicht Igor ihr über die Haut. So weich, diese Haut. Doch wird sie bereits kalt.
Er weiß nicht, wie sie heißt. Nur, dass er eine neue Freundin brauchen wird. Diese hat ihren Zweck erfüllt. Igor streichelt sie noch einmal, dann packt er sie, wickelt sie in eine Decke und schleift sie aus der Mühle. Der Wald ist ganz nah. Und hier sind schon viele Gräber. Nur die Männer. Manchmal findet es Igor schöner, einen Mann zu nehmen und ihn zu benutzen. Aber die Männer liebt er nicht. Sie sind nicht so weich, so zart. Er nutzt sie nur. Die Frauen benutzt er. Igor schleift sie hinter sich her. An der Hauptstraße legt er sie ab, so dass sie alle sehen können. Nach ihr wird es eine Neue geben. Die Liebe währt nur kurz.



~*~


„Margareth!“ Bisher hatten Igors Männer und Frauen keine Namen. Diese hier hat einen. Igor hat ihn ihr nicht gegeben. Er hat sie genommen und benutzt wie alle Anderen. Doch gerade als er fertig war, da schrien sie vor der Mühle. Und jetzt bellen Hunde.
„Margareth““ Igor lässt die Frau einfach fallen. Er ist fertig mit ihr. Er stößt die Tür zur Mühle auf. Da stürzen sich die Hunde auf ihn. Igor beginnt zu rennen, als vorne die Tür aufbricht.
„Margareth!“ Der Schrei endet in einem Schluchzen. Igor rennt auf den Wald zu. Die verzweifelten Schreie des Mannes hinter ihm verfolgen ihn. Die Schreie nach Margareth. Das, was Margareth war, gehört längst Igor. Er hat es sich genommen. Jetzt ist sie nur noch eine von Vielen.
Ich werde mir eine Neue suchen, denkt Igor, während er in den Wald rennt. Hunde bellen. Er hat Hunde noch nie gemocht. Sie sind nicht so weich, sie sind borstiger, zottelig. Manchmal wünscht sich Igor, er müsste nicht immer das Weiche jagen. Manchmal wünscht er sich, er könnte das Weiche einfach halten. Doch es ist wie bei der Ratte. Hält er es erst in der Hand, muss er es zerstören.