D A S   E I N J Ä H R I G E

Autor: Lilly

 

Lady Wentworth massierte sich genervt die Schläfen, während der Lärm draußen auf den Gängen anhielt. Fröhliche Schüler, jubelnde Kinder, zufriedene Menschen... ein Graus für eine Person wie sie.

Ich bringe diese Brut um“, murmelte sie. „Diesmal wirklich.“

Ihren Kollegen schien der Lärm weniger auszumachen. Zumindest denen, die anwesend waren. Im bequemsten Sessel, direkt vor dem Kamin, thronte Monsieur Fouet, seine scheußliche Katze auf dem Arm, die schlanken Pianistenfinger in das weiße Nackenfell vergraben, mit einem leicht weggetretenen Gesichtsausdruck. Ein Stückchen entfernt, auf einem der harten Holzstühle hockte Mr. DeLuce an einem der dunklen Tische und korrigierte konzentriert einen Stapel Italienisch-Aufsätze. Am Fenster blickte Miss Desire mit einem seligen Lächeln nach draußen zu den feiernden Schülern, die unten auf dem Pausenhof herumsprangen.

 

Der Sportlehrer, DelDesincourt, kam gerade dazu, als Krystal Wentworth ernsthaft erwog, eine Flammenwoge nach unten zu schicken.

Was sind denn das hier für lange Gesichter?“, grinste er, schob sich die blaue Sonnenbrille in die Haare und blickte sich um. „Glückliche Kinder, wir haben frei, kein Unterricht... da sollte man doch eigentlich eine Flasche aufmachen und...“ Lady Wentworths Blick ließ ihn verstummen.

Diese schrecklichen Kinder“, fauchte sie. „Dieser scheußliche Lärm! Ich bekomme Falten, wenn ich mir das noch länger anhören muss.“

Machen Sie sich nichts draus“, schallte es gelassen vom Kamin. „Die werden in Ihrem Gesicht gar nicht auffallen, liebe Krystal.“

Mr. DelDesincourt musste dazwischen treten, bevor die Lehrerin ihren französischen Kollegen flambieren konnte.

Was ist eigentlich der Anlass für diese Party-Stimmung?“, wechselte DelDesincourt das Thema und schob Lady Krystal Wentworth zurück auf ihren Platz. „Hat irgendjemand eine Ahnung, was hier eigentlich gefeiert wird?“

Wir haben eine neue Rektorin?“, kicherte Monsieur Fouet.

Jemand ist gestorben?“, schlug Krystal vor.

Alle Blicke wandten sich zum Monsieur.

Oh, sehen Sie mich nicht an“, protestierte er. „Wenn tatsächlich jemand verstorben ist, dann mit Sicherheit nicht durch mein Zutun. Ich bin unschuldig wie ein Lamm.“ Seine Katze schnurrte zustimmend.

Weißt du irgendwas?“, wollte DelDesincourt wissen und beugte sich über die Schulter des Referendars. Der war jedoch völlig in Gedanken gewesen und zuckte zusammen.

Oh, ich? Ich.. also... nein, ich nicht, wenn Sie... wie war die Frage?“

 

BAMM.

 

Die Tür schlug auf und wurde direkt wieder zugeknallt, als die Direktorin höchst selbst in das Zimmer gestürmt kam, eine Luftschlange in ihrem Pferdeschwanz.

Wer hat Geburtstag?“, wollte sie wissen. „Und wieso bin ich nicht eingeladen? Ich bin immer auf Partys eingeladen. Immer. Wieso nicht auf dieser? Da muss ein Fehler vorliegen.“

Allgemeines Stöhnen im Raum.

Da waren die Hoffnungen wohl zu groß“, bemerkte Monsieur Fouet spitz und ließ die Katze laufen.

Es ist Einjähriges“, erklärte Miss Desire verträumt vom Fenster aus. „Vor einem Jahr wurde diese Geschichte in die Welt gesetzt und seit einem Jahr leben wir nun schon unter der Feder dieser braven Jugendlichen.“

Sie rauchen zu viel, meine Liebe“, knurrte Krystal und warf einen düsteren Blick aus dem Fenster.

Nein, wirklich“, beharrte diese und rückte den Kragen ihres Blümchenkleides zurecht. „Erinnern Sie sich nicht mehr? Vor einem Jahr kamen sie hier reinmarschiert und haben uns erklärt, dass wir Teil ihrer Freizeitarbeit sind.“

 

Wyn runzelte die Stirn. „Als ICH noch jung war... jünger war, da bin ich in meiner Freizeit auf Rockkonzerte gegangen und habe Briefkästen angezündet“, erzählte sie. „DAS war MEINE Freizeitbeschäftigung!“

Hat sich ja nicht viel geändert“, grinste DelDesincourt. „Aber weswegen drehen dann die Schüler so durch?“

Oh, die Autoren und Steckbriefersteller haben kostenlose Muffins gespendet“, half Miss Desire aus. „Und es gibt so einen Kontest, 'wer ist der süßeste Junge' und 'wen würdest du gerne als Paar sehen'. Sie haben unten im Pausenhof eine Bühne aufgebaut.

Kinder“, murmelte DelDesincourt kopfschüttelnd.

Im selben Moment klopfte es an die Tür.

 

Ich wollte Sie alle zur Feier begleiten“, erklärte Lilly und steckte den Kopf ins Klassenzimmer.

An ihrem Arm hing Professor Dingeldey, der zur Feier des Tages auf die Hosen unter seinem Talar verzichtet hatte.

Die Gastautoren und Ersteller warten schon. Kommen Sie?“

Die Lehrer sahen sich an.

Wer zum Teufel ist das?“, wollte Krystal wissen.

Eine von den Autorinnen“, zischte DelDesincourt ihr zu. „Aber fragen Sie mich nicht, welche. Für mich sehen die alle gleich aus.“



***


Tatsächlich war unten auf einer der Wiesen direkt hinter dem Schloss eine kleine Bühne aufgebaut worden. Dreißig Schüler hatten bereits auf Stühlen in einem Halbkreis darauf Platz genommen, die Lehrer wurden in den Zuschauerraum verfrachtet neben fünf leere Plastiktühle. Verzweifelt blickte Lilly nach links und rechts.

Wo sind die Gastautoren?“, quiekte sie.

Oh, die sind am Kuchenbuffet“, half eine der Erstellerinnen ihr aus, die gerade damit beschäftigt war, Charity zurück auf die Bühne zu schieben. „Zumindest hab ich sie da vor einer halben Stunde gesehen. Charrie, Mensch, geh jetzt zurück, Mama eins wird sonst wütend!“

Was mache ich denn jetzt?“ Lilly war einer Panikattacke nahe. „Das wollten doch die anderen machen! Hat jemand wenigstens die Karteikarten gesehen?“

Irgendjemand drückte Lilly einen Stapel Notizen und ein Mikrofon in die Hand, jemand anders schubste sie nach vorne und nachdem sie sich beinahe auf die Nase gelegt hatte, gingen die Scheinwerfer an und es wurde still. Erwartungsvolle Augenpaare blickten nach oben.

 

Ähm ja... hi“, improvisierte sie. „Also... nachdem die anderen Autoren leider noch am Kuchenbuffet sind...“ Ein böser Blick ging Richtung Pausenhof. „Muss ich das wohl alleine machen.“

Etwas planlos blätterte sie in ihren Notizen.

Ich habe hier eine Liste mit häufig gestellten Fragen“, erklärte sie und hob die Zettelwirtschaft hoch. „Und hier haben wir eine Liste mit Random-Fragen aus dem Internet.“ Ein pinkes Lesezeichen fiel heraus und ein Blatt war voller Kaffeeflecken.

Na, wenigstens weiß ich, wer die zusammengestellt hat“, murmelte sie.

 

„Aaaaber kommen wir zur Show!“ Lilly hob das Mikrofon höher. „Wenden wir uns doch zunächst den häufig gestellten Fragen zu. Ich schlage vor, jeder Schüler darf eine beantworten und jeder Lehrer auch, das klingt doch fair. Jemand aus dem Publikum möchte anfange, ja?“


Wieso dürfen Mörder an der Schule unterrichten?“, kam es aus den hinteren Reihen und der Scheinwerfer fasste die Lehrer ins Auge.

Das geht dann wohl an Sie, Monsieur und Mylady“, meinte Lilly und reichte das Mikrofon herunter. „Haben Sie etwas dazu zu sagen?“

Natürliche Auslese“, kam es vom Monsieur. „Kommen Sie mir mit Fakten und Beweisen, bevor Sie derartige Anschuldigungen machen.“

Wer ist der Fragensteller?“, wollte Lady Wentwort wissen. „Er möge doch einmal bitte aufstehen, damit ich ihn exekutie... kennen lernen kann.“ Schweigen im Zuschauerraum.

War da nicht was mit der Mafia?“, erkundigte sich Lilly. Doch die beiden Lehrer schwiegen grimmig.

Fein, nächste Frage“, fuhr Lilly fort und blickte in ihre Listen.


Diesmal geht es an die Schüler“, erklärte sie und sah sich suchend um, ehe sie Grangorias erspähte.

Ah, da bist du ja.“ Lilly las die Frage ab.

Ein anonymer Fragensteller will wissen, was eigentlich dein Problem ist. Wieso hast du ein Einzelzimmer? Wieso hast du ein Problem mit Dunkelheit? Bist du so eine Art Serienkiller? Und wieso darfst du dann überhaupt die Schule besuchen?“

Gran räusperte sich. „Ich finde die Frage sehr persönlich“, sagte er. „Aber da wir heute einen besonderen Anlass feiern, möchte ich zumindest ein Geheimnis aus der Welt schaffen.“ Er blickte ins Publikum. „Ich habe keine Angst vor der Dunkelheit und ich kann auch versichern, dass ich kein Interesse habe, irgendjemandem das Leben zu nehmen.“

Aber hast du schon mal?“, hakte Lilly nach. Doch da war die Lampe über dem Kopf des Schülers bereits erloschen und nur noch neunundzwanzig weitere brannten. Lilly seufzte.

Auf zum nächsten“, erklärte sie.


Die nächste Frage ging an Lilia.

Stimmt es, dass du einem alten Aldcrest'schen Adelsgeschlecht angehörst?“, wollte Lilly wissen. „So richtig mit Stammbaum und Chronik und gruseligen Familiengeheimnissen?“

Lilia nickte. „Wir haben sogar einen eigenen Bereich auf dem Friedhof“, sagte sie. „Aber ich bin nicht die Einzige an der Schule, die einem der Adelsgeschlechter angehört.“

Ihre Lampe erlosch.

Schade“, bemerkte Lilly. „Es gibt also noch ein Prinzchen oder eine Prinzessin?“


Der Panther, Evelyn“, wandte Lilly sich jetzt an das rothaarige Green-Mädchen und las eine weitere Frage ab. „Wieso ein Panther? Ich meine, wo kriegt man den denn her? Hätte es nicht eine einfache Hauskatze auch getan?“

Hört hört“, kam es giftig von Lady Wentworth.

Ist das überhaupt legal?“, wollte Erin wissen. „Ich bin der Meinung, die Tierschutzbehörde hat da etwas gegen einzuwenden, immerhin reden wir hier von einer Raubkatze und einem Wildtier.“

Zuerst einmal hat er einen Namen.“ Evelyn verschränkte die Arme. „Skaduwee. Und ja, es ist legal. Wir leben in einer magischen Welt, da sind die Regeln etwas dehnbarer. Skad ist gut erzogen und hört aufs Wort.“


Aus dem Publikum kam eine Meldung.

Was ist mit Charity?“, wollte jemand wissen. „Wieso Angel? Ich meine, er ist echt ein Arsch und so toll sieht er jetzt auch nicht aus.“

Charity duckte sich schüchtern.

Ich... ich hab irgendwie ein Schema“, erklärte sie leise. „Ich... v-verlieb mich nie in nette Jungs.“ Sie zeigte ein schüchternes Lächeln. „G-glauben Sie mir... mir wäre es auch anders lieber, aber die Liebe kann man sich ja nicht aussuchen, oder?“


Eine Frage an Wyn, las Lilly vor, während über Charity der Scheinwerfer erlosch. DelDesincourt musste die Direktorin anstupsen, ehe sie reagierte.

Was denn nun schon wieder?“

Es geht um Ihre Kinder.“ Lilly blinzelte auf das Papier. „Die Frage lautet, wenn Ben und Isa wirklich Ihre leiblichen Kinder sind, wovon wir bei der offensichtlichen äußerlichen Ähnlichkeit einmal ausgehen, wie zum Teufel ist das passiert?“

Wie das passiert ist?“ Ungläubig musterte Wyn Lilly. „Also, du solltest eigentlich wissen, wie so etwas funktioniert. Wenn du aufgeklärt werden willst, wendest du dich besser an Ludwig!“

Oah, ich WEIß, wie!!“ Lilly schüttelte sich. „Ich will eher wissen, wie kam es dazu? Es ist schwer, Sie sich mit einem Mann vorzustellen. Und dann auch noch zweimal. Derselbe.“

Bei Ben war ich wohl betrunken“, erklärte Wyn und fläzte sich in ihren Plastikstuhl. „War auf einem Rockkonzert. Keine Ahnung, wer da überhaupt gesungen hat. Mattheo war damals noch nicht so ein buckliger kleiner Arschkriecher. So wie heute. Ich glaub, wir waren in seinem Zelt. Lag die halbe Nacht auf einer Flasche und ein Kronkorken hat mir in den Nacken gestochen.“ Sie runzelte die Stirn. „Im Nachhinein bin ich mir nicht mal sicher, ob das Mattheo war, aber andererseits haben sie dieselbe Nase.“

Die Gleiche“, verbesserte Manuela auf der Bühne.

Mit Isa war es auf dem Küchenfußboden“, fuhr Wyn gelassen fort und schob sich die Sonnenbrille auf die Nase. „Eigentlich wollte ich ja ausnahmsweise kochen, aber dann kam Mattheo früher nach Hause und...“

Okay, das reicht“, bremste Lilly sie, bevor sie ins Detail ging. Ben und Isa hatten ebenfalls auf der Bühne die Gesichter verzogen. „Lieben Sie Ihre Kinder?“

Was ist denn das für eine bescheuerte Frage!!“ Die Direktorin setzte sich auf. „NATÜRLICH liebe ich meine Kinder. Sie sind stubenrein, halten das Haus sauber und ich muss sie nicht einmal dafür bezahlen.“

MUM!“

Danke, Ben, dass du mich erinnerst, das mit dem stubenrein hat bei ihm lange gedauert. Er hat noch sehr lange ins Bett gemacht und wir wussten nicht...“

Nächste Frage!“, forderte Ben.


Lilly fasste nun Angel und Elay ins Auge, die sich beide zurückgehalten hatten, bisher.

Ein paar Leute in den Reviews wollten wissen, ob ihr beiden ein Paar seid“, erklärte sie und fixierte die Jungen. Elijah hob eine Augenbraue.

Bitte was?“

Na, ein Paar. Zusammen.“ Unwirsch wedelte Lilly mit ihren Notizen. „Wollt ihr den Lesern mitteilen, ob ihr was miteinander habt?“ Auch ein paar andere Schüler waren jetzt aufmerksam geworden. Evelyns Grinsen wurde breiter und Lilia und Blair, die immer die Ohren für Klatsch und Tratsch offen hatten, beugten sich vor.

Dann begann Angel schallend zu lachen.

Nein, haben wir nicht“, entgegnete Elijah, leicht entnervt. Ernsthaft, was ist denn das für eine Frage? Wieso? Hat schon mal irgendjemand Riley und Rory sowas unterstellt?“

Och, ich hab da kein Problem mit“, schoss Riley frech vom anderen Ende der Reihe zurück. „Nicht wahr, Rory? Du und ich wir sind ein ganz tolles Paar.“ Rory kicherte und Lilly fixierte ein letztes Mal die Jungs.

Also, die Antwort ist nein?“

Das habe ich doch gerade gesagt.“ Angel, der sich von seinem Lachanfall halbwegs erholt hatte, legte Elijah einen Arm um die Schultern.

Das muss dir doch nicht peinlich sein, Schatz“, prustete er. „Kommst du nachher mit mir aufs Zimmer? Ich brauch dringend Nachhilfe in Bio.“ Elijah stöhnte genervt auf und schubste ihn zur Seite, während Angel von einem neuen Lachanfall geschüttelt wurde.

Das heißt dann wohl nein“, wandte Lilly sich wieder an das Publikum. „Kommen wir zur nächsten Frage.“


Du hast gerade den 'Hottest man of Aldcrest-Kontest' gewonnen“, nahm sich Lilly jetzt Ishan vor. „Gratulation dazu erstmal. Es war knapp, aber am Ende hast du Ace geschlagen.“

Danke, danke.“ Der Türke grinste. „Ich hoffe doch, du hast für mich gestimmt?“

Wird nicht verraten.“ Lilly stemmte einen Arm in die Hüfte. „Aber mich würde interessieren, für wen du gestimmt hast.“

Ich?“ Ishan lachte und entblößte schneeweiße Zähne.

Ja, für wen?“, wollte auch PJ wissen.

Für Liam Green“, gestand Ishan. „Wenn ich für mich selbst gestimmt hätte, wärs ja unfair gewesen“, scherzte er.

Ich hab für mich selbst gestimmt“, lachte Liam. „Der Preis war dieser riesige Kuchen, da brauchst du nicht auf meine Fairness bauen.“


Meine nächste Frage geht zunächst an Riley.“

Ja, hier!“ Riley ließ ihr Handy sinken.

Lillys Augen bohrten sich in sie. „Was empfindest du für Ben?“

Riley begann zu lachen. „Er ist wie ein Bruder für mich.“ Sie musterte ihren besten Freund. „Naja, mehr wie eine Schwester.“

Also, keine romantischen Gefühle?“Lilly ließ nicht locker.

Urgh, nein!“ Angewidert schüttelte Riley den Kopf. Bens Blick verstand sie falsch.

Ach, Ben, ich find dich nicht eklig, du bist supersüß. Aber das wäre echt wie Inzest. Nein, Benny und ich sind nur Freunde.“

Wusstet ihr“, bohrte Lilly gnadenlos weiter, „dass die meisten Leute euch als liebstes Paar sehen wollen?“

Die Leute spinnen echt“, lachte Riley.

Auch Ben schüttelte tapfer den Kopf. „So ein Unsinn“, erklärte er fröhlich.


Viele Leute würden auch dich gerne in einem Paar sehen“, fasste Lilly Erin ins Auge. „Und zwar mit Angel. Was sagst du dazu?“

Erin stöhnte auf. „Im Ernst jetzt? Du hast das auch schon gefragt!“ Sie funkelte ihren Bruder an, wie einen Verbrecher.

Naja, du hast ihm ja mal geholfen“, warf Lilly ein, doch unwirsch winkte Erin ab.

Um das ein für alle Mal klar zu stellen“, erklärte sie dem Publikum. „Ich besitze etwas, das sich Geschmack nennt.“

Nicht, wenn es um deine Klamotten geht“, kam es von Blair, doch Erin ignorierte es.

Ich habe absolut keine Gefühle irgendwelcher romantischer Natur für diesen Jungen“, setzte sie einen Punkt. „Er ist unhöflich, dreist, frauenverachtend und noch dazu Raucher. Alles Dinge, die mir zuwider sind. Wenn das diese dummen Gerüchte endlich beendet, unterziehe ich mich auch gerne einem Lügendetektortest, ansonsten würde ich es begrüßen, wenn die Leute sich etwas anderes zum Tratschen suchen.“

Kennst du den Spruch, 'was sich liebt, das neckt sich'?“, konterte Lilly.

Lilly!“ Erin stöhnte. „Ich denke, die Grenze zum 'necken' ist hier schon weit überschritten worden.“

Ich lasse das mal so stehen“, gab Lilly auf. „Fürs erste.“


Für dich habe ich keine Frage, du bist nämlich noch nicht vorgekommen.“ Lilly packte sich einen Jungen aus der Masse mit schwarzen leicht lockigen Haaren. „Ich möchte, dass du dich stattdessen dem Publikum vorstellst.“

Der Junge tat ihr den Gefallen.

Hi, ich bin Cyrus“, winkte er. „Ich bin neunzehn Jahre alt und derzeit nicht auf der Schule.“

Aber du warst mal hier?“, wollte Lilly wissen.

Ja, ein paar der Schüler sind meine Freunde.“ Cyrus deutete in die Dunkelheit, in der Charity saß. „Charrie und ich halten noch heute Kontakt und auch mit Riley, Ben und Evelyn bin ich immer gut ausgekommen.“

Woher kommst du?“

Aus den USA, New York, um genau zu sein.“

Lilly musterte ihn.

Wieso hast du dann einen asiatischen Nachnamen? Du siehst nicht mal asiatisch aus.“

Cyrus stöhnte.

Lange Geschichte.“


Du hast in letzter Zeit sehr viel Kritik bekommen.“ Jetzt war Rory dran und Lilly las wieder ab.

Die Leute finden es nicht so toll, wie du dich Ben gegenüber verhältst. Magst du dich an dieser Stelle mal verteidigen?“

Rory nickte.

Das war echt nicht so geplant“, seufzte sie. „Es ist nur so schwierig. Neue Schule, eine neue beste Freundin und dann soll sie einem auf einmal weggenommen werden.“ Sie hob die Hände. „Jaja, streng genommen ist das hier kein Wettbewerb und selbst wenn doch, Ben war ja zuerst da, aber es fühlt sich einfach ziemlich dumm an. Meine Eltern haben sich scheiden lassen. Das soll jetzt keine Ausrede sein, ich will damit nur sagen, ich hab schon früher gelernt, was es heißt, Dinge nicht behalten zu dürfen. Freunde, Familie. Mit Riley dachte ich, wird es anders. Ich hab Ben ja nicht erpresst oder so. Er schubst mich da in eine dämliche Situation rein, die keiner von uns will!“

Wie willst du das Problem lösen?“, fragte Lilly.

Keine Ahnung.“ Bedrückt zuckte Rory die Achseln. „Ich hab ja schon versucht mit ihm zu reden. Vermutlich muss ich es einfach weiter versuchen. Und um ganz und gar die Wahrheit zu sagen: Ich hab richtig Angst, vor dem, was uns allen noch passiert mit dieser Sache. Ich glaube, am Ende stehen wir alle alleine da.“



Erneut las Lilly eine Frage ab.

Was ist mit dir Derra? Wieso Nessa? Mal Hand aufs Herz, hat sie dich verhext?“

Derras dunkles Lachen ließ die Bühne vibrieren.

Hat sie“, gestand er. „Aber nicht mit Magie.“

Lilly schauderte. „So viel Romantik. Ist ja eklig.“ Wieder lachte Derra auf.

Janessa ist eine wunderbare Person, wenn man sie nur näher kennt.“ Er zwinkerte seiner Freundin zu. „Sie ist aufopferungsvoll, liebenswert, sensibel und einfühlsam.“

Wir reden DEFINITV nicht von der gleichen Person“, schnaubte Lilly.

Derselben“, verbesserte Manu.


Noch siebzehn Schüler.“ Lilly stöhnte. „Wieso seid ihr so viele geworden?“ Sie sah sich um. „Ihr, meine Lieben, kriegt alle ein paar nette Random-Fragen von der zweiten Liste.“ Sie hob das Papier mit dem pinken Lesezeichen und den Kaffeeflecken hoch. „Hier sind nämlich ein paar interessante kleine Fragen vermerkt.“

Die Stühle der Gastautoren waren noch immer leer.

Ich lasse euch vierteilen“, murmelte Lilly, ehe sie sich die Liste studierte.


***

 

Am Kuchentisch waren die verbleibenden vier gerade dabei, die Kekstorte unter sich aufzuteilen.

Nordkorea hat eine Regenbogenrutsche und wenn du heiße Schokolade anstatt Kaffee bestellst, giltst du als schwul“, erklärte Kira völlig aus dem Nichts.

Die anderen sahen sie an.

Reich mir den Kaffee“, bat Larry.

 

***


Wir machen das jetzt der Reihe nach.“ Lilly ging auf El zu. „Hast du eine geheime Fantasie, wie du einmal sterben wirst?“, las sie vor.

El kicherte.

Hast du?“

Soooooo viele...“ El blickte Lilly selig an. „Du bist die Nächste.“

Lilly schauderte. Als der Scheinwerfer erlosch, glühten Els Augen noch immer.


Für Ace hatte Lilly eine Extra-Liste dabei. „Hier stehen dreiundfünfzig Sexfragen drauf, die man mit ja oder nein beantworten muss.“ Sie reichte ihm einen Stift. „Mich würde interessieren, auf wie viele Ja's du kommst.“

Ace ging durch die Liste. „Urgh, das ist widerlich...“ Der Stift flog über das Papier. „Und das... Himmel, es gibt wirklich kranke Vorlieben.“ Er reichte Lilly schließlich beides zurück. „Neun 'neins'“, verkündete er.

Ich hatte mit weniger gerechnet.“ Lilly überflog das Papier. „Ernsthaft? Du hast mal den Namen deines Partners vergessen?“

Ace zuckte die Achseln. „Kommt vor.“

Hast du dich denn nie verliebt?“ Eine Zeit lang dachte Ace angestrengt nach.

Nein“, gestand er. „Wenn doch, fällt es mir echt nicht ein.“

Kopfschüttelnd wandte sich Lilly dem nächsten zu.


Eine Partnerfrage für dich.“ Janessa war dran. „Nenne mir drei Dinge, die du und Derra gemeinsam haben.“

Das ist leicht“, Janessa strich ihr Haar über die Schulter. „Wir sind beide sehr hübsch.“

Stöhnen aus dem Publikum.

Wir sind beide sehr klug...“ Sie bremste sich. „Nein, das stelle ich zurück.“ Sie dachte nach.

Wir haben beide viele Geschwister“, nannte sie schließlich weitere Gemeinsamkeiten. „Sehr viele. Und wir kommen beide nicht aus einem englischsprachigen Land. Derra ist Araber und ich komme aus Sizilien, der größten Insel im Mittelmeer, die...“

Die Lampe erlosch.


Wenn du nur noch vierundzwanzig Stunden zu leben hättest, Blair...“ Lilly war das Stehen zu anstrengend geworden und ließ sich von Miss Desire einen Stuhl nach oben reichen. „Was würdest du mit der Zeit anstellen?“

Blair lächelte. Und dieses Lächeln hatte etwas sehr, sehr Ungemütliches.

Ich habe eine Liste, liebe Lilly.“ Blair zog ihren Lippenstift nach. „Und auf dieser Liste stehen Namen. Eine ganze Menge Namen. Namen von Leuten, mit denen ich noch ein Hühnchen zu rupfen habe.“ Sie schloss den Stift. „Deiner ist übrigens auch auf dieser Liste.“

Lilly schluckte. „Ist er das?“

Oh, ja“, säuselte Blair. „Wenn ich nur noch vierundzwanzig Stunden Zeit hätte, würde ich mir meine Lieblinge auf dieser Liste vornehmen. Und sehr viel Spaß mit ihnen haben.“

Was hab ich dir denn getan?“ Lilly war unsicher geworden.

Nichts“, lächelte Blair. „Noch nichts. Allerdings sollten wir mal über deine scheußliche Haarfarbe reden.“


Ryan hatte sich zur Feier des Tages in ein Spidermankostüm gequetscht. Mitleidig betrachtete Lilly ihn in dem Polyesterteil.

Ist dir nicht total heiß?“, wollte sie wissen. „Gerade unter den Scheinwerfern.“

Es geht“, schnaufte Ryan. „Spiderman hat das auch ausgehalten.“

Dann kommen wir mal ganz schnell zur Frage.“ Lilly suchte die Listen ab. „Angenommen, du könntest einen deiner Mitschüler auswählen. Irgendeinen. Und der wäre den ganzen Tag lang dein Sklave. Wen würdest du dir aussuchen.“

Stille entstand. Ryan machte große Augen, dann rieb er sich grübelnd das Kinn.

Jeden hier?“

Jeden hier“, bestätigte Lilly.

Ich würde dich aussuchen“, knurrte Ryan. Lilly zuckte zurück. „Und dann würde ich dich zwingen, mir eine schönere Geschichte zu schreiben und mehr Muskeln und mehr Frauen.“

Lilly blinzelte. „Dumm bist du nicht“, bemerkte sie. „Und wenn es nur deine Mitschüler wären?“

Ace“, erklärte Ryan. „Weil ich ihn nicht mag.“


Lilly summte: „Da warens nur noch zwölf... und kein Zeichen von den anderen... MANN! Geht denen nicht mal irgendwann der Kuchen aus?“

Sie faltete die Blätter zusammen und schob sie sich in den Hosenbund.

Zwölf Leute. Gerade genug Leute für ein Meeeeeeme...“ Sie klatschte in die Hände.

Lilly!“ John stöhnte auf. „Wirklich nicht! Wir haben echt kein Interesse daran, dass du uns mal wieder quer durch die Pampa scheuchst, mit irgendwelchen Leuten in Hotelzimmern einsperrst oder uns an lauschige Örtchen schickst, nur um zu sehen, was passiert.“ Ein schneller Blick ging zu Lauren. Doch Lilly blieb gnadenlos.

Nimm es gelassen“, forderte sie ihn auf. „Wir sind noch... sechs Jungs und sechs Mädchen... YES! Ich bin der Wahnsinn!“

Das Lob gebührt wohl eher dem Zufall“, brummte John. „Du hast doch wie üblich keinen Plan von irgendwas.“

Aber ich hab die Macht“, grinste Lilly. „Aufstehen, ihr zwölf, jetzt wird gememet!“

Das Wort gibt es nicht“, sagte Manu, ehe die Bühne dunkel wurde und das Meme begann.

 

Fröhliches Einjähriges :D