Der Wahnsinn der


B E L I N D A   H I B B I N S

Autorin: Lara


„Wer ist das, Vater?“, fragte das kleine Mädchen neugierig und deutete mit dem Zeigefinger auf eine Abbildung in dem Lehrbuch. 

Ihr Vater beugte sich ein wenig vor, um im flimmernden Kerzenschein erkennen zu können, um wen es sich handelte. Die Abbildung zeigte eine entstellte Gestalt vor einem Drudenfuß.

„Das, Belinda, ist der Teufel. Du weißt doch, wer der Teufel ist, nicht wahr?“, antwortete ihr Vater und blickte seine Tochter erwartungsvoll an.

Die 6-jährige Belinda schloss die Augen und versuchte sich zu erinnern. 

„Der Teufel ist… böse…?“, versuchte das Mädchen es und rieb sich müde die Augen. Viel zu lange saß sie schon in der verstaubten Bibliothek im Keller des Familienhauses mit ihrem Vater über den Büchern.

Belindas Vater seufzte und zog das Buch näher zu sich heran.

„Der Teufel ist die Personifizierung des Bösen, Belinda, tatsächlich. Er war ein Engel, bis er gegen Gott rebellierte. Sie dir an, was mit ihm passierte, als er sich gegen den Allmächtigen stellte.“ Ihr Vater schlug eine weitere Seite des Buches auf und offenbarte ein neues Bild. Belinda schlug sich die Hand vor den Mund, als sie die Gestalt des vorherigen Bildes wiedererkannte. Dieses Mal wurde sie jedoch mit schwarzen Flügeln, Hörnern und Pferdehufen dargestellt, außerdem war sie schwer verwundet und blutete aus allen Körperöffnungen. Das vernarbte Gesicht spiegelte unendliche Qualen wider. 

„Nein“, sagte Belinda und drehte ihren Kopf weg. „Ich will das nicht sehen.“

„Sieh es dir an, Belinda“, wiederholte ihr Vater mit Nachdruck und als seine Tochter mit zusammengekniffenen Lippen nicht reagierte, drehte er ihren Kopf mit Gewalt in seine Richtung und zwang sie, die Abbildung anzuschauen. 

„Das passiert mit Ungläubigen! Siehst du das! Das macht der Herr mit Menschen, die ihn nicht huldigen! Die ihm nicht würdig sind!“, schrie ihr Vater und sein Griff um Belindas Kiefer verstärkte sich. 

Dem kleinen Mädchen stiegen Tränen in die Augen, doch sie konnte ihren Blick nicht abwenden. Fast schon spürte sie selbst den Schmerz der Gestalt und sie wimmerte.

„SIEH ES DIR AN!“, donnerte ihr Vater. „Sieh es dir an und merke dir, was passiert!“



***



Einige Jahre waren ins Land gezogen und Belinda war älter geworden. War älter geworden und hatte einige Dinge verstanden.

Belinda saß auf ihrem üblichen Platz, gegenüber der gekreuzigten Jesus-Statue auf der hölzernen Kommode, und brütete über einem alten Buch mit ledernem Einband. Es sah abgegriffen aus und einzelne Seiten waren bereits verblichen, doch Belinda störte dies nicht. Das Wichtigste war erhalten geblieben.

Die Kerze beleuchtete die handgeschriebenen Seiten, welche von Pentagrammen, Henkelkreuzen und kleingeschriebenem Text geprägt wurden. 

„…24. März: Fest des Tieres. 16-jährige Mädchen werden in einer Hochzeitszeremonie zu Bräuten des Herrn der Finsternis…“, las Belinda leise murmelnd ab. „…In der Tradition der lutherischen Kirchen kommt dem Osterfest als Vierzeitenfest zum Frühlingsanfang seine Bedeutung zu… Satanistische Vorstellungen nehmen diese Tradition auf… Unheiliger Donnerstag… An den folgenden Tagen werden menschliche und tierische Opfer zur Verspottung des christlichen Festes gebracht…“

Das schwarzhaarige Mädchen schreckte von ihren Studien auf, als sie Schritte auf der Treppe hörte. Panisch suchte sie nach einem Ort, der sich als Versteck für das Buch eignete, doch sie war zu langsam. Gerade als Belinda das Buch in ein Regal stellen wollte, wurde die Tür aufgestoßen und ihr Vater kam mit verschränkten Armen vor seiner Tochter zum Stehen. 

Mit zusammengekniffenen Augen wanderte sein Blick von der ertappten Belinda zu dem Buch in ihrer ausgestreckten Hand. 

„Das Buch wurde mir gestern aus der Vitrine entwendet“, eröffnete ihr Vater schließlich nach einiger Zeit und Belinda ließ den Arm sinken. „Was hast du dazu zu sagen?“

„Vater, ich wollte… Du hast gesagt, wir sollen wissen, wer unser… Feind ist“, stotterte Belinda und richtete ihren Blick auf den Boden.

„Das ist das dritte Buch über Satanismus, welches mir gestohlen wurde. Hinzu kommt, dass jemand Drudenfüße auf unsere Hauswand gemalt hat.“ Belinda wollte sich verteidigen, doch ihr Vater hatte seine Rede noch nicht beendet. „Du weißt doch, was mit Ungläubigen passiert, nicht wahr? Sag es!“

„Sie… sie… kommen in die… erleiden Qualen…“, brachte Belinda hervor, doch die Wörter kamen ihr nur angewidert und ohne Zusammenhänge über die Lippen, so würde sie die Sätze in ihrem Kopf auf ganz eigene Weise ergänzen.

Belindas Vater riss ihr das Buch aus der Hand und starrte sie aus leeren Augen an. „Ich sollte dir noch einmal zeigen, was mit Ungläubigen passiert.“

Beinahe wie in Zeitlupe holte er mit dem Buch aus und Belindas Schrei hallte in den Kellerwänden der Bibliothek wieder, als ihr Vater zuschlug. 



***



Im Schneidersitz saß die mittlerweile 13-jährige Belinda zwischen den Totenbetten ihrer Eltern und malte etwas mit Kreide auf den Boden, als der Arzt mit seinem Sohn und zwei Männern aus Aldcrest das Haus betrat. Sie alle vier hatten sich Tücher um ihre Münder und Nasen gebunden, um sich zu schützen, und waren trotz der sommerlichen Temperaturen in dicke Mäntel eingepackt. 

„Wie du gesagt hast, Vater“, begann der Sohn des Arztes und warf Belinda einen kurzen Blick zu. „Die Pocken haben sie dahin gerafft. Und dieses Mädchen scheint vollkommen gesund.“

Belinda sah auf und legte den Kopf leicht schief. Nun gab sie auch die Sicht auf ihr Kunstwerk frei und die Männer aus dem Dorf stolperten einen Schritt nach hinten.

Pentagramme zierten den hölzernen Boden und überall um das Mädchen herum konnte man unleserliches Gekritzel erkennen. 

„Was ist los mit dir, Mädchen?“, murmelte der Arzt in seinen Mundschutz und Belinda lächelte.

„Der Herr der Finsternis hat mich gesund gehalten. Er hat gesagt, er braucht mich.“

„Der Herr der… Was?“, wiederholte der Sohn und schaute seinen Vater fragend an, welcher die Stirn gerunzelt hatte.

„Sie meint Satan. Den Teufel“, erklärte dieser und kniete sich vor Belinda.

„Ich glaube nicht, dass du das tun solltest, Vater.. Sie erscheint mir leicht…“ 

„Verrückt?“, versuchte es einer der Männer aus dem Dorf. „Zurückgeblieben?“

Doch der Arzt blickte Belinda bloß durchdringend an, welche seinen Blick fröhlich erwiderte. 

„Was hat dein Herr dir noch gesagt?“, fragte er und Belinda lächelte wieder selig. 

„Ich bin stark, hat er gesagt. Stärker als alle anderen, hat er gesagt. Jajaja, das hat er gesagt“, summte sie und die drei Stehenden wichen einige weitere Schritte zurück. 

„Belinda… Ich muss dir sagen, dass wir deine Eltern jetzt mitnehmen, damit wir sie anständig begraben können“, fuhr der Arzt unbeirrt fort und Belinda stand langsam auf. 

„Oh nein, das ist nicht nötig. Wir brauchen sie noch.“

Nun stand auch der Arzt wieder auf und warf dem zierlichen Mädchen einen langen Blick zu. Dann drehte er sich um und sagte im rausgehen zu seinen Begleitern: „Verbrennt das ganze Haus. Und stellt sicher, dass es wie ein Unfall aussieht. Und dass das Mädchen mit verbrennt.“



***



Die kleine Hütte lag alleine im Waldgebiet Aldcrests, versteckt zwischen hohen Bäumen. Eine junge Frau öffnete die Vordertüre und sah sich prüfend um, ehe sie schnellen Schrittes hinter dem Haus verschwand. 

Je tiefer sie in den Wald eindrang, desto lauter wurde das Wimmern, welches durch die Tücher drang, mit denen sie die Münder der Kleinen gestopft hatte. Schließlich führte ihr Weg sie zu einer großen Lichtung, die durch die Dämmerung in ein schimmerndes Licht getaucht wurde. Acht Mädchen und Jungen waren an Holzpfählen, angeordnet in einem umgekehrten Drudenfuß, festgebunden. Die Meisten von ihnen hatten bereits aufgegeben, auch nur an eine Flucht zu denken, doch immer gab es einige unermüdliche Opfer, die niemals Ruhe gaben. 

Belinda wurde aus angsterfüllten Augen gemustert, als sie ein langes blitzendes Messer aus ihrer Manteltasche zog. In der anderen Hand hielt sie bereits eine hölzerne Schale.

„Bis zur Mitterstunde müsst ihr euch noch gedulden“, wendete sie sich mit einem Lächeln an die Kinder. „Dann werdet ihr dem Herrn der Finsternis geopfert werden.“

Während sich die Augen der Kinder noch mehr weiteten, betrachtete Belinda zufrieden das Messer. Es war nicht einfach gewesen, die Opfer aufzutreiben. Reine Seele mussten es sein und Kinderseelen waren am unverdorbensten. Doch sie waren auch am schwersten zu stehlen. Das wusste Belinda nur zu gut. Schon mehrfach hatte sie Opferungen und Rituale mit Kindern durchgeführt, doch noch nie in einem solchen Ausmaß.

Die Schwarzhaarige begann mit einem Singsang in einer alten, beinahe unverständlichen Sprache, während sie zu einem blonden Mädchen am Kopf des Drudenfußes ging.

„Doch ihr könnt mir schon einmal bei der Vorbereitung helfen“, sagte sie mit einem Blitzen in den Augen und unterbrach ihr Gesinge, nur um es gleich darauf wieder aufzunehmen.

Begleitet von den gedämpften Schreien des Mädchens schnitt Belinda einmal in den Arm ihres Opfers und ließ das Blut in die Schale tropfen.

Sie wiederholte die Prozedur ebenfalls bei den anderen Sieben, bis die Schale schließlich voll mit rotem, dickflüssigen Blut war. 

Vorsichtig tauchte Belinda einen Finger in die Schale und steckte ihn sich anschließend in den Mund.

„Oh ja, eure Seelen sind rein“, flüsterte sie und ihre Augen begannen in einem leichten Rot zu glühen.

Erneut benetzte sie ihren Finger mit Blut und begann, den Drudenfuß damit nachzuziehen. 

„Ich spüre die Magie im Boden fließen“, murmelte sie währenddessen fasziniert. „Sie pulsiert. Wartet nur darauf, genutzt zu werden. Heute Nacht wird die Opferung am stärksten sein.“

Als das komplette Symbol nachgezogen war, betrachtete Belinda zufrieden ihr Werk. Sie hatte immer noch ein wenig Blut übrig, so führte sie die Schale langsam zu den Lippen und trank sie vor den Augen der verzweifelten, noch lebendigen Kinder vollkommen aus.

Eine halbe Stunde nach Mitternacht war die Opferung vollzogen. Erhobenen Hauptes ging Belinda an den Kindern vorbei und betrachtete sie. Alle hatten sie einen Dolch im Herzen stecken und Entsetzen stand in ihren nun leeren Augen. 

In der Mitte des Pentagramms angekommen drehte sie sich einmal im Kreis und hob die Arme in den Himmel.

„Herr der Finsternis! Diese reinen Seelen sind dir gewidmet und dienen zu deiner Stärkung und Huldigung!“ 

Das getrocknete, beinahe unsichtbar gewordene Blut um die Schwarzhaarige herum begann zu leuchten und erhellte Belindas wahnsinnigen Gesichtsausdruck. Blut klebte an ihrer Lippe und ihre Haare waren zerzaust, doch war das Glühen in ihren Augen nicht verschwunden.

Plötzlich schien ein Wirbelsturm aus ihren Händen zu entstehen und Belinda kicherte. Der Wind ließ ihre Haare um ihren Kopf herumtanzen, kleine Äste flogen über die Lichtung und die Körper der Kinder bewegten sich wie zu einer traurigen, langsamen Melodie. 

Macht durchströmte Belinda und sie lachte einmal laut auf. 

Wie aus dem Nichts bildeten sich Wolken über Aldcrest und es donnerte. Grelle Blitze zuckten am Himmel entlang und wenige Minuten später brach Platzregen aus den dunklen Wolken hervor. 

Durchnässt lachte Belinda ein weiteres Mal und ließ die Hände sinken. Der Wirbelsturm war verschwunden, doch der Regen dauerte weiter an. 

„Seht ihr das? Das ist die Macht meines Herrn! Was kann eurer, hm?“, rief sie an die toten Körper gewendet. „Euer Herr hat euch im Stich gelassen. Ein nichtsnutziger Herr ist das, wenn man mich fragt!“

Lachend drehte Belinda sich im Regen im Kreis und tanzte, so als würde sie in ihrem Kopf ihre ganz eigene Musik hören.



***



„Wir haben uns hier heute zusammengefunden, um die verurteilte Hexe Belinda Hibbins von unserer Welt zu verbannen und sie in eine andere, ihrem Wesen gerechtere, zu schicken.“

Der Mann stand vor einem Scheiterhaufen, der durch eine Holzkonstruktion ein wenig erhöht wurde, und sprach zu den versammelten Bewohnern Aldcrests.

Die Menge teilte sich ein wenig, als der Henker Belinda, welche er grob am Arm gepackt hatte, während ihre Hände zusammengebunden waren, zum Scheiterhaufen führte.

Belindas Kopf war kahl und ihr Gesicht war an einigen Stellen leicht rötlich und angeschwollen, ihr Blick war auf den Boden gerichtet und sie trug nicht viel mehr als ein lumpiges Gewand, welches ihr bis zu den Knien reichte. 

„Hexenschlampe“, zischte jemand aus der Masse und die anderen stimmten in die Beleidigungen mit ein. 

Plötzlich hob Belinda den Kopf und warf den Bewohnern neben ihr einen ausdruckslosen Blick zu, welche automatisch zurückwichen. Ihre Pupillen hatten eine rote Färbung angenommen und Flammen schienen in ihnen zu lodern.

Grob zog der Henker sie weiter und beschleunigte seinen Schritt.

Wenige Minuten später war Belinda an dem großen hölzernen Pfahl auf dem Reisighaufen festgebunden und ihre roten Augen huschten von einem Anwesenden zum Nächsten, so als wollte sie sich alle genau einprägen. 

„Belinda Hibbins wird hier heute den Feuertod finden, da sie nicht nur wegen Hexerei, sondern auch wegen dem Mord an ihren Eltern, der Kindesentführung und dem Mord an diesen, sowie der Teufelsanbetung in einem fairen Prozess verurteilt wurde“, ratterte der Mann herunter, während der Henker mit einer angezündeten Fackel neben den Scheiterhaufen trat. Bei dem Wort fair drang ein Knurren aus Belindas Kehle. Zwei Finger hatte sie aufgrund der Folter mit der Daumenschraube verloren und die gesamte rechte Hand war beinahe unbrauchbar geworden. 

Der Mann nickte dem Henker zu, welcher die Fackel an den Reisighaufen hielt und die Flammen begannen, sich langsam ihren Weg zu Belinda zu bahnen. 

„Ihr werdet alle dafür leiden!“, schrie Belinda schrill. „Leiden werdet ihr, länger als ich es jemals getan habe! Sie wollten mich schon einmal verbrennen und haben es nicht geschafft! Mein Herr wird mich wieder retten…!“

Ihre Sätze gingen in hohe Schreie über, als die Flammen an ihrem gebrochenen Körper hoch züngelten und sie langsam und qualvoll aus dieser Welt scheiden ließen.

„Wo ist dein Herr jetzt?“, murmelte eine Frau in der Menge und starrte in das Feuer, ehe sie sich umdrehte und mit den anderen verschwand.

Kommentare: 1
  • #1

    Belinda Zettner (Donnerstag, 21 Januar 2016 20:03)

    Hallo,
    ja ich bin eine weisse Hexe-und jeder der im Circus Maximus andere hinrichtet sol der Teufel holen!, von Krankheiten geplagt werden und von Dämonen gejagt werden bis ans Ende seiner Tage.
    Belinda Zettner