Aévyn Tialis - Part 3

 

by Ivy

 

 

 

Der Tag war windig und grau als Aévyn das Internat hinter sich ließ, die Jacke eng um ihren Körper schlingend zum Park aufbrach, der nur wenige Minuten vom Schulgelände entfernt lag. Ein leiser Luftzug pfiff um die Tialis, in deren Augen frohe Erwartung und aufkeimende Panik standen. Ein wenig bangte ihr vor diesem Date, doch tat sie keinen Schritt zurück. Es war nicht der angenehmste Tag in Aldcrest, doch daran störte sich die 17-Jährige nicht, die mit Aufregung im Herzen den Park betrat, sich umsah. Noch war niemand hier, wie es schien. Mit den Gedanken bereits beim kommenden Treffen, verweilend steuerte Aévyn den Teich an, der wie ein grauer Spiegel inmitten der Grünanlage lag. Enten planschten darin und etwas bedauerte sie, kein Brot für jene mitgenommen zu haben. Es war eine gar kindliche Freude die Federtiere zu füttern und wohl würde ihr Bruder über jenen Wunsch den Kopf schütteln. Vielleicht noch darüber schmunzeln. Doch war er nicht hier.

 

Aévyn seufzte, nahm Platz auf einer der Bänke, die am Gewässer standen, sah prüfend auf ihr Handy. Sie war weder zu früh, noch zu spät und eine Nachricht oder Anruf war auch nicht bei ihr eingegangen, was die Tialis als gutes Zeichen wertete. Mit steigernder Nervosität sah sie sich im Park um, dann wieder auf die Uhr. Es war gerade einmal zwei Minuten nach fünf. Sie sollte sich entspannen, so schoss es ihr durch den Kopf. Clover würde schon kommen. Oder das Interesse an dem Date verloren haben. Aévyn schluckte, ihr Mut verließ sie mit jedem Augenblick mehr. Und auch, wenn Heath ihr gut zugeredet hatte, was dieses Treffen anging und sogar Ben aufmunternd genickt hatte zu ihrer Entscheidung, fühlte sie sich plötzlich nicht mehr ganz so tapfer. Eher klein und dieser Herausforderung nicht gewachsen. Doch gerade als Aévyn sich erheben und verschwinden wollte, erscholl ein Ruf über die Ebene.

„Ich bin da, ich bin da, ich bin da!“ Clover kam, die Hände in den Jackentaschen, angejoggt, ein Grinsen auf den Lippen. „Sorry für die Verspätung. Ich hab einfach nicht richtig auf die Uhr geguckt.“ Frech hingen der jungen Frau ihre blauen Haare ins Gesicht, verdeckten leicht die schelmisch blitzenden Augen, die die Farbe von dunklem, tropischen Wasser aufwiesen. Fasziniert von dem Funkeln in der Iris der Älteren schwieg die Tialis, leicht verdattert von der geballten Fröhlichkeit ihres Dates.

„Alles klar? Du guckst so komisch.“ Clover winkte mit der rechten Hand vor ihrem Gesicht herum, was Aévyn blinzeln, erröten ließ.

„Ja. Ja, alles okay,“ nuschelte sie bedröppelt, schenkte der Blauhaarigen ein kurzes Lächeln. „Ich freue mich, dass du da bist...“

Clovers Grinsen wurde breiter. „Und ich mich erst. Darf ich mal was fragen? Bevor wir hier weitere Pläne für den Abend machen?“

Die Tialis zuckte mit den Schultern. Unsicher. „Ja. Natürlich.“

„Also ...“ Clover räusperte sich. „Aévyn ist doch dein richtiger Name, oder? Weil, na ja, ich habe den aus Interesse mal gegooglet. Wegen der Bedeutung. Aber ich finde ihn nicht.“

Aévyn lachte leise. „Meine Mom hat ihn sich ausgedacht und patentieren lassen. Es ist also ein Fantasiename.“

Clover stieß einen Pfiff aus. „Cool. Hat er auch ne Bedeutung?“

Die Tialis nickte. „Die, die mit dem Wind geht.“

Jetzt grinste die Blauhaarige. „Super cool. Echt. Clover ist so´n bissl langweilig, finde ich. Aber egal.“

„Ich finde ihn schön“, widersprach Aévyn wurde erneut rot. „Er passt … zu dir.“

Clover zog die Stirn kraus. „Ja?“ Und wieder erschien das Grinsen. „Findest du?“

Die 17-Jährige nickte. „Ja.“ Sie kuschelte sich in ihre Jacke. „Sollen wir … was essen?“

„Dachte schon, du fragst nie.“

 

 

*****

 

 

Das Café war klein und gemütlich, leise Gespräche bildeten die Geräuschkulisse. Einige Schüler des Internats saßen an benachbarten Tischen, doch Aévyn hatte nur Augen für Clover, die plappernd in ihrem Kaffee rührte, während die Tialis ihren Kakao unberührt ließ.

„ … verstehe mich bitte nicht falsch. Der Job ist toll, aber manchmal ist er echt anstrengend.“ Clover wedelte mit dem Löffel hin und her. „Such dir ne echte Arbeit, wenn es soweit ist, Aévy. Echt. Das bringt dich weiter. Gelegenheitsjobs sind echt doof.“

Aévyn blinzelte, zögerte mit der Antwort. Sie fühlte sich neben Clovers offener, lebensfroher Art etwas unsicher und durch die vielen Erzählungen der letzten halben Stunde seitens der Älteren auch etwas unerfahren, was das Leben anging.

„Ähm. Hatte ich vor“, murmelte sie, lächelte vorsichtig.

„Echt? Hast du denn schon Zukunftspläne?“ hakte die Blauhaarige nach, grinste verschlagen. „Ärztin? Krankenschwester? Lehrerin?“

Ein wenig musste die Tialis schlucken. „Ich will Musik studieren und Songwriterin werden ...“

„Ist nicht wahr? Echt jetzt?!“ Clover beugte sich vor, Interesse in ihren Augen aufblitzend. „Du spielst also auch ein Instrument?“

„Klavier und Gitarre.“

„Super cool.“ Sie klatschte in die Hände. „Ich habe mal Schlagzeug bei meiner E …. bei einer Bekannten gespielt.“

„Vielleicht ...“ Aévyn gab sich einen Ruck. „ … vielleicht können wir ja mal zusammen spielen. Im Orchestersaal steht ein Schlagzeug.“

„Ach, du gehst ja noch zur Schule, ne?“

Die Schwarzhaarige nickte. „Ich lebe im Internat, ja. Seit vier Jahren.“

„Woher kommst du denn?“

„Invercargill. Das ist in Neuseeland. Ich wurde da geboren.“

„Neuseeland? Krass. Aber auch cool. „Clover nahm einen Schluck aus ihrer Tasse. „Wie ist es dort so?“

„Sehr grün. Viele Naturschutzgebiete. Ganz viele verschiedene Tierarten. Die Städte, die sind allerdings wie hier,“ schloss die Tialis ihre kurze Ausführung.

„Also langweilig und überfüllt“, grinste Clover, was Aévyn den Kopf schütteln ließ.

„Das finde ich ganz und gar nicht“, widersprach die 17-Jährige, sah ihr Date aus klaren, grauen Augen an.

„Nicht? Was findest du dann?“ Clover musterte sie.

„Das jede Stadt einen Aspekt für sich hat. Und jedes Land. Ich habe noch nicht viel von der Welt gesehen. Aber England gefällt mir ganz gut. Auch, wenn es so viel regnet.“

Clover lachte laut auf, schallend, sodass sich einige andere Gäste zu ihr umdrehten, sie missbilligend ansahen. „Regen ist hier echt oft. Hast Recht.“ Wieder nahm sie einen Schluck Kaffee. „Na ja, ich komme aus Amerika. Da regnet's bestimmt genauso wenig wie in Neuseeland.“

„Du kommst aus Amerika?“

„Ja. Aber ich habe meine Heimat schon vor Jahren verlassen. Und jetzt ist England halt mein Zuhause.“

Aévyn sah sie an. „Hast du hier ein Studium oder so was angefangen?“, hakte sie vorsichtig nach, erhielt ein Schulterzucken als Antwort.

„So was in der Art. “ Sie rührte im Heißgetränk herum, ließ schließlich den Löffel los, lenkte ab. „Ist cool, dass du angerufen hast.“

Aévyn lächelte, haderte mit sich selbst, ehe sie mit der Wahrheit heraus rückte. „Ich … ich habe lange überlegt und mich erst nicht getraut, anzurufen.“

Clover zog die Stirn kraus. „Habe ich einen so schlimmen Eindruck gemacht?“

Die Tialis hob die Hände. „Nein! Nein, ganz und gar nicht!“ Sie strich sich eine Strähne aus ihrem Gesicht. „Es ist nur so, dass es das erste Mal war, dass mir jemand seine Telefonnummer zugesteckt hat.“ murmelte sie. „Jemand, der mir auch gefällt.“

Clover grinste. „Du bist ja süß.“ Sie beugte sich vor. „Ich dachte, ich versuche mein Glück einfach. Und nachdem dein kleiner Freund nun so viele Hinweise gegeben hat, konnte ich mir wenigstens sicher sein, nicht völlig als Idiotin da zu stehen.“

„Tust du nicht. Bist du auch nicht. Und das habe ich auch nicht gedacht.“

„Dann bin ich froh.“ Das Grinsen blieb. „Heißt, wir könnten das hier wiederholen.“

Aévyn schluckte, kurz setzte ihr Herz aus, ehe es einen Takt schneller weiter schlug. „Ja. Das wäre toll. Also, ich meine, ich würde es schön finden.“ Sie lächelte, hoffte, dass Clover nicht ihre Aufregung spürte.

Diese klatschte in die Hände. „Super. Und ich hatte schon die Befürchtung, ich hätte die Freikarten für die „Irish Folk Band“ nächsten Samstag umsonst aufgehoben.“

Aévyn blinzelte.

„Oder magst du Irish Folk nicht?“

„Was? Doch. Doch, das klingt toll.“

Clover nickte. „Alles klar. Ich hole dich nächsten Samstag gegen fünf ab.“

Eine andere Wahl schien die Clusterfield ihr gar nicht zu lassen.

 

 

Kommentare: 5
  • #5

    Prinzessin Dracula (Dienstag, 20 Dezember 2016 20:05)

    Etwas verspätet gebe nun auch in meinen Senf dazu:

    Awwww, diese beiden sind sooo niedlich! Ich finde es so schön, wie unfassbar gegensätzlich sie sind und wie gut die eine die andere ausgleicht - das ist so passend unpassend!
    Ich mag total Clovers stürmische, mit-der-Tür-ins-Haus-fallen Art, wobei auch sie scheinbar ihre kleinen Geheimnisse hat ... aber die hat ja jeder.
    Ich kann so gut verstehen, dass Aévyn so nervös wird, weil Clover 2 Minuten zu spät kommt ... wobei ich ja zugeben muss, dass ich bei Treffen aller Art immer zu spät komme ...

    Ich finde es sooo schön, dass wir schon wissen, dass die Geschichte gut für die beiden ausgeht. Es ist ihnen so gegönnt! :)

  • #4

    Lilly (Sonntag, 18 Dezember 2016 19:09)

    Wow, das glaubt mir kein Mensch :) Ich komme gerade nach Hause und es fängt draußen an zu schneien :)

    Ich stimme euch zu, die Geschichte von Aévyn und Clover wird immer niedlicher und gerade Nature muss ich beipflichten, diese Briefe zeigen noch einmal eine ganz andere und ich muss auch sagen, echt positive Seite von Aévyn :) Ich mag das, das so viel mehr dahinter steckt, als und dieser kleine OS zeigt. Denn das ist es ja am Ende: Ein Scheinwerfer-Licht, ein Moment, nur ein Schuss, mitten in eine Geschichte hinein, die so viel größer ist :)

    Was bei diesem Teil auch so schön deutlich wird, ist die Verbindung zwischen Clover und Aévyn. Das sind nicht nur zwei Random-Mädchen und Clover fand Aévyn nicht einfach bloß hübsch... da steckt mehr dahinter und die beiden haben einen Lauf :) Jaja, Clover, dich hat es doch erwischt :)

    Die Briefe sind einfach viel zu witzig XD Da wird die große Clover mit einem Mal ganz klein. Bester Kommentar: Ich glaube, du hast Viecher in der Bude!

    Und wieder Mal rockt die Prinzessin mit Papier und Stift... ich finde es krass, wie intensiv Lilia geworden ist, wie dunkel und wie stark. So präsent, wo sie doch oftmals immer etwas untergeht und sie hat etwas Unheimliches an sich, finde ich. Und etwas Kaputtes. Hach, ich interpretiere schon wieder zu viel.
    Wie so ein provokatives Sieh-mich-an.

    Und Murphie... Ich verstehe, wieso Ishan sich in sie verliebt hat (so ein krasses Kapitel, by the way, Prinzessin, die Weihnachtszeit killt mich mich, ich hole noch auf mit den Reviews... XD) und ich finde auf jedem Bild von ihr erscheinen neue Facetten. Ich gebe zu, ich bin auch ein klein wenig in Murphie verknallt... es ist fast unmöglich das nicht zu tun bei dieser Frau. Sie hat etwas an sich, was einen anzieht :) Hach, ich liebe das Detail mit dem Auge :D

    Einen wundervollen vierten Advent euch allen... es schneit echt... wie verrückt XD Ist das denn zu fassen??? :D

  • #3

    Nature (Sonntag, 18 Dezember 2016 18:38)

    Hey!

    Schönen vierten Advent und Let ist snow! :)
    Die Geschichte von Aévyn und Clover geht echt ans Herz! Und die Briefe sind auch toll, zeigen nochmal eine ganz andere Seite von Aévyn...
    Die Bilder sind wieder einmal ganz fantastisch geworden!

  • #2

    Franzi (Sonntag, 18 Dezember 2016 15:19)

    Der dritte Teil! :-) Wie habe ich mich darauf gefreut. Und er beginnt gleich mit einer wunderschönen Beschreibung, ein Wetter in England, das nicht besser passen könnte. Ich finde, in dem Moment, in dem Aévyn gerne die Enten füttern würde, spürt man sehr schön ihren angenehmen Charakter, das Hinundhergerissene zwischen Kind und Erwachsen sein, was wohl jeden mit 17 überrollt (das klingt wie von einer alten weisen Omi „Damals mit 17 war die Welt noch in Ordnung“ :D). Und die Erwähnung mit ihrem Bruder (hieß er Bill?) – ich weiß, in solch einem OS kann man nicht alles unterbringen, aber die Erwähnung hat mich schon sehr gefreut.
    Aévyns Nervosität ist so süß vor dem Date und so normal, nachvollziehbar. :-) Ich liebe diese Beschreibung „die schelmisch blitzenden Augen, die die Farbe von dunklem, tropischen Wasser aufwiesen“ sehr. So ungewöhnlich, aber vollkommen passend für Clover. „Die, die mit dem Wind geht“, hach so schön.
    Der restliche Verlauf ließ mich nur noch grinsen. Aévyn ist so goldig, wie sie so aufgeregt ist, für sie eine völlig neue Situation und Clover natürlich ganz cool. :-) Ich fände es toll, auch einmal eine andere Seite von ihr kennenzulernen.
    Ein sehr schöner Teil, der Lust macht auf mehr und einen Strahlen lässt. :)
    Vielen, vielen Dank, Ivy, dass du Clovers und Aévyns Geschichte mit uns teilst.

    Die Liebesbriefe sind zu genial. :D So passend.

    Und wieder zwei Bilder, die mich sprachlos machen. *-* Ich finde besonders das Bild von Lilia so toll. Es stellt ihre Persönlichkeit sehr passend dar, durch das Abgewandte und die Haltung. Ich staune jedes Mal wie man so etwas Tolles bloß mit einem Bleistift schaffen kann!
    Ebenso das Bild von Murphie, dieses Rebellische. Man sollte Menschen nie auf ihr Äußeres reduzieren, aber rein vom Aussehen und der Ausstrahlung finde ich, passt sie sehr gut zu Ishan. :)

    Ein wunderbares Türchen.
    Ich wünsche euch einen schönen 4. Advent.
    Und genau, lassen wir es schneien. :)

  • #1

    Ivy (Sonntag, 18 Dezember 2016 11:16)

    Mahlzeit, ihr Hübschen :)

    die Bilder sind doch ... Mann, ich will mich nicht immer wiederholen XD Das wird langsam unglaubwürdig XD Aber sie sind einfach klasse <3 Ich liebe diese leicht abweisende Haltung von Lilia und dieses freche von Murphie. Murphie haut mich irgendwie immer von ihrer Darstellung her um. Dieses Rebellische ist echt irgendwo stets versteckt und ich liebe es^^

    Ich wünsche Euch noch einen schönen 18. Dezember :)